"Damit Leistung sich lohnt"
Kanzler der Universitäten fordern einen eigenen Wissenschaftstarifvertrag
für alle Beschäftigten - Ein Interview
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Dr. Heiko Schultz wurde auf
der Jahrestagung der Kanzlerinnen und Kanzler in Chemnitz zum
neuen Bundessprecher der deutschen Universitätskanzler
für drei Jahre gewählt. Er ist Kanzler der Bauhaus-Universität
in Weimar |
Mit ihrer Chemnitzer Erklärung fordern die Kanzler der
Universitäten für ihre Beschäftigten und die anderer
Wissenschaftseinrichtungen einen eigenen Wissenschaftstarif. Welche
markanten Punkte soll er beinhalten?
Die aktuelle Chemnitzer Erklärung ist der Versuch, die zurückgedrängte
Debatte wieder zu beleben und eine nunmehr überfällige
Entwicklung voranzutreiben. Die Diskussionen um eine Änderung
der Tarifbestimmungen für die Hochschulen dauern schon einige
Jahre an.
Die Erklärung ist auf die jahrelange Tätigkeit des Arbeitskreises
Dienst- und Tarifrecht der Universitätskanzlerinnen und -kanzler
unter der Leitung von Frau Dr. Frost, hauptamtliche Vizepräsidentin
der Universität Göttingen, zurückzuführen.
Um den Tätigkeitsanforderungen in Hochschulen mit einem Vergütungssystem
gerecht werden zu können, muss die individuelle Leistung ein
wesentliches Element der Vergütung sein.
Flexibilität, Spezialität und hochkomplexe Aufgabenstellungen
prägen die Anforderungen an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Grundstruktur der universitären Vergütungen muss
mindestens die Elemente Grundvergütung, Zulagen für Funktionen,
Belastungen und besondere Leistungen umfassen. Auch Marktzuschläge
müssen erlaubt sein. Dies sollte durch "Sonderleistungen"
monetärer und nichtmonetärer Art Ergänzung finden.
Hier ist an eine Öffnung für spezielle Anreizsysteme
gedacht, zum Beispiel in Verbindung mit Drittmittelforschung, wissenschaftlicher
Weiterbildung sowie Wissens- und Technologietransfer.
Die Scheingenauigkeit des aktuellen Katalogsystems mit den ausgefeilten
Tätigkeitsmerkmalen, das stark auf den Bildungsabschluss und
nicht auf die Leistungsfähigkeit oder auf die Erfahrung Bezug
nimmt, ist durch wenige Vergütungsbänder mit einem breiteren
Spektrum an Vergütungsmöglichkeiten abzulösen.
Warum eignet sich das derzeitig übliche BAT-System nicht
uneingeschränkt für Wissenschaftsbetriebe?
In den vergangenen Jahren gab es starke Veränderungen gerade
an den Universitäten. Wir haben mit den Flexibilisierungen
sowohl bei Personal als auch bei Finanzen einen Sonderweg beschritten,
der sich wesentlich von den anderen Bereichen des öffentlichen
Dienstes unterscheidet. Die Hochschulen sind mit einer hohen Finanzflexibilität
bis hin zu Globalhaushalten autonomer geworden.
Die hohen Anforderungen im Wissenschaftsbetrieb spiegeln sich in
den Tätigkeitsmerkmalen und Vergütungsstrukturen nicht
adäquat wider, denken Sie zum Beispiel an Entwicklungen bei
der Datenverarbeitung, der Haushaltsführung, beim Controlling
oder in den Sekretariaten. Dort fällt es den Hochschulen schwer,
sehr gutes Personal zu gewinnen oder im Verhältnis zur Wirtschaft
ausreichend zu entlohnen und damit an die Hochschule zu binden.
Sie können auch nur unzureichend auf wesentliche Veränderungen
in den Tätigkeitsbildern reagieren.
Der Personalbestand wird jedoch geringer, damit steigen die Belastungen
für den Einzelnen. Leistungsvergütungen müssen also
zu einem Optimum an Leistung motivieren.
Sie fordern für alle Beschäftigten ein Leistungs-Anreizsystem,
wie es für Professorinnen und Professoren bereits existiert.
Warum scheint Ihnen das notwendig, und was bedeutet es für
die Beschäftigten?
Die Professorenbesoldungsreform ist positiv zu bewerten, denn es
gibt neben dem Grundgehalt Leistungsbezüge für verschiedene
Sachverhalte.
Hochschulen sind durch die Internationalität der Wissenschaft
und die besondere Verantwortung für den Erfolg einer ganzen
Gesellschaft in einem starken Wettbewerb mit den Bedingungen im
Ausland und der Wirtschaft. Nur durch besondere Leistungen kann
man diesen Anforderungen gerecht werden. Da in den Wissenschaftsbetrieben
alle Beschäftigten denselben Zielen verpflichtet sind, ist
eine unterschiedliche Vergütungsstruktur nicht gerechtfertigt.
Die individuelle Leistung muss Element einer Vergütung sein,
damit Leistung sich lohnt. Man wird dafür ein System von Kriterien
und Leistungseinschätzungen entwickeln müssen, das die
spezifischen Anforderungen wissenschaftlicher und nichtwissenschaftlicher
Beschäftigter realistisch beschreibt.
Kann man dabei wissenschaftliches und Verwaltungspersonal, die
ja ganz unterschiedlichen Arbeitsbedingungen unterliegen, in einen
Topf werfen?
Grundsätzlich ja, da alle Beschäftigtengruppen an derselben
Aufgabe arbeiten, nämlich für eine sehr gute Lehre und
exzellente Forschung Sorge zu tragen.
Natürlich ist den spezifischen Anforderungen Rechnung zu tragen,
das heißt, für unterschiedliche Aufgaben muss es auch
unterschiedliche Kriterien der Leistungsbewertung geben. Niemand
wird doch auf die Idee kommen, die unterschiedlichen Beschäftigtengruppen
einer einheitlichen Bewertung zu unterziehen, auch wenn die Leistungsbewertung
ein verbindendes, grundsätzliches Element ist.
Die Fragen stellte Patricia Pätzold
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