Welchen Stellenwert hat eine Technische Universität in der
Hauptstadt?
Prof.
Dr. Bernd Hillemeier, Institut für Bauingenieurwesen, Vorstandsmitglied
Acatech
Jedes Land, jeder Bürger möchte seine Hauptstadt
als Brennpunkt von allem Wichtigen und Attraktiven erleben und als
Zentrum von Wirtschaftskraft und Zukunftsgestaltung. Eine lebendige
Technische Universität gehört in diesen Brennpunkt. Die
Technik ist unaufhaltbar, wir brauchen ihre Ideen zum Überleben,
auch wenn Uneingeweihte und Miesmacher dem widersprechen. Die Technischen
Wissenschaften auf ein Nebengleis zu schieben bedeutet trotz aller
Telekommunikation, sie wegzuschieben von den dringend zu lösenden
Problemen. Die Brennpunktferne der Wissenschaft und Forschung wird
der Hauptstadt schlecht bekommen und wird sie viel Geld kosten.
Dr.
Axel Schweitzer, Mitglied des Vorstandes der ALBA AG, Verwaltungsrat
der Gesellschaft
von Freunden der TU Berlin
Probleme entstehen überall im Land, aber in der Hauptstadt
müssen sie gelöst werden. Leider verheddern sich dort,
wo entschieden wird, Ängste und Feigheit, Interessen und Egoismen
mit dem Verlangen nach Besitzstandswahrung und vernebeln den Blick.
Ideologien und Technikfeindlichkeit errichten schier unüberwindliche
Grenzen. Da ist es wichtig, den Kopf frei zu machen, den Blick über
den Tellerrand zu richten. "Hebt man den Blick, so sieht man
keine Grenze", hat Professor Milberg, der Vorstandsvorsitzende
von Acatech, formuliert. In der Tat, das ist die eigentliche Bestimmung
der Wissenschaft, erst recht der unbestechlichen Naturwissenschaften,
und insbesondere die einer Technischen Universität: der Gesellschaft
und der Politik zu helfen, den Blick zu heben. Wo wäre also
eine Technische Universität notwendiger und bedeutsamer als
in der Hauptstadt, dort, wo das Gestrüpp subjektiver Interessen
gelichtet werden muss, wo es mehr als irgendwo sonst objektiver
Maßstäbe bedarf?
Sabine
Knapp-Lohmann, Siemens
AG, Berliner Büro der Leitung
Technische Bildung und technische Forschung sind die Basis
für Innovationen und damit für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit
einer Region und eines Landes. Berlin kann kurzfristig nicht mehr
an seine Rolle als führende Industriestadt in den vergangenen
zwei Jahrhunderten anknüpfen. Der Weg zu neuer Wirtschaftskraft
Berlins führt über das Wissen, die Kreativität, und
den Unternehmermut der jungen Menschen, die hier leben, studieren
und arbeiten oder Arbeitsplätze schaffen wollen.
Prof.
Dipl.-Ing. Rainer Hascher, Fachgebiet
Konstruktives Entwerfen und Klimagerechtes Bauen, Mitglied Acatech
Man weiß, Deutschland ist ein Land, das im globalen Wettbewerb
seine wirtschaftliche Position nur halten können wird, wenn
es die Technikwissenschaften nicht nur pflegt, sondern gezielt und
systematisch ausbaut.
Selbst innerhalb der eigenen geografischen Grenzen wird diese Problematik
evident:
Wenn zum Beispiel in Baden-Württemberg mit 122 Patenten pro
100000 Einwohner die höchste Patentaktivität (Bundesdurchschnitt
63) herrscht, mag dies zum einen auf die historische Entwicklung
dieser ursprünglich sehr armen Region zurückzuführen
sein, zum anderen liegt der Erfolg aber sicher auch darin begründet,
dass hier - wie nirgendwo in Deutschland - Zukunftstechnologien
an den Universitäten gefördert werden. Unabhängig
davon, dass für die Hauptstadt Berlin nicht nur ein kaum zu
unterschätzender Imageschaden entstehen wird, wenn gerade die
TU Berlin dramatisch verkleinert wird, erscheint es mir noch viel
problematischer, dass man hier anscheinend weiterhin gelassen darauf
baut, die Zukunft werde schon andernorts in Deutschland geregelt.
Die TU Berlin ist der wichtigste Technikwissenschaftsstandort für
den gesamten Nordosten Deutschlands und damit ein nicht zu unterschätzender
Motor für die wirtschaftliche Entwicklung dieser ganzen Region.
Prof.
Dr.-Ing. Joachim Milberg, TU-Alumnus und Schüler Günter
Spurs, war BMW-Chef, ist heute im Aufsichtsrat und hat die Präsidentschaft
von Acatech übernommen
Technikwissenschaften als Treiber für Innovation und volkswirtschaftlich
notwendiges nachhaltiges Wachstum müssen in Deutschland mehr
Anerkennung finden. Ohne Wachstum gibt es keine Zukunft. Doch unternehmerisches
Handeln und wissenschaftliche Innovation werden hierzulande misstrauisch
beäugt. So wird zwar die Stimme der Fachleute von der Politik
nachgefragt und beauftragt, dann aber wenig beachtet. Doch nur Wissen
schafft Vertrauen. Die Vermittlung des Wissens über die Technologien
der Zukunft wird deshalb die ureigenste Aufgabe der Technikwissenschaftler
werden. Es muss uns auch gelingen, den Beruf des Technikwissenschaftlers
mit neuer Reputation zu versehen, sodass es wieder mehr begabten
jungen Menschen Spaß macht, auf diesen Gebieten zu arbeiten,
zu forschen und zu lehren.
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