Zu viel zahlen soll keiner
Wie private Unternehmen am Betrieb von Autobahnen beteiligt
werden können
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In Rostock wurde der erste
nach dem Public-Private-Partnership-Prinzip errichtete Tunnel
in Betrieb genommen - die Warnow-Querung. Eine Mautgebühr
soll die privaten Investitionen refinanzieren
Foto: Warnowquerung GmbH & Co. KG |
Rund 12000 Kilometer lang sind die Bundesautobahnen, sie machen
nur fünf Prozent des gesamten Straßennetzes aus. Doch
auf ihnen rollen mehr als 30 Prozent des gesamten PKW- und LKW-Verkehrs.
Sie sind damit das Rückgrat des Verkehrssystems, und mit dem
zunehmenden Warenverkehr zwischen West- und Osteuropa werden sie
noch bedeutsamer.
Bislang finanziert der Bundeshaushalt sowohl die Investitionen
als auch Betrieb und Erhaltung. Daran wird auch die geplante LKW-Maut-Gebühr
nichts Grundsätzliches ändern. Doch es stehen immer weniger
Mittel für einen steigenden Bedarf zur Verfügung: Strecken
müssen neu und ausgebaut, jahrzehntealte Abschnitte erhalten
werden. Verkehrswissenschaftler fordern daher schon lange eine Finanzierung
der Autobahnen durch zweckgebundene Beiträge der Nutzer. Wirtschaftswissenschaftler
und Bauingenieure der TU Berlin entwickeln nun, in einem vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt,
neue Modelle für die Organisation, den Betrieb und die mögliche
Privatisierung von Bundesautobahnen.
"Private Unternehmen sind bislang nur mit Aufträgen für
Bau und Erhaltung am Prozess der Autobahnproduktion beteiligt. Die
Gesamtverantwortung für Planung, Bau, Betrieb und Erhaltung
obliegt dem Staat", erklärt Thorsten Beckers, einer der
Mitarbeiter in dem Projekt. "Auch die internationale Forschung
hat die Frage bisher vernachlässigt, welche Rolle private Unternehmen
über so genannte PPP-Projekte (Public-Private-Partnership)
bei der Organisation eines gesamten Autobahnnetzes spielen sollten."
Das auf drei Jahre angelegte interdisziplinäre Projekt NEMO-BAB
(Neue Organisations-, Betreiber- und Privatisierungsmodelle für
die Bundesautobahnen) wird vom TU-Fachgebiet
Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik (WIP) in Kooperation mit
Prof. Dr. Christian von Hirschhausen (TU Dresden) geleitet. Beteiligt
sind außerdem die TU-Fachgebiete Bauwirtschaft
und Baubetrieb (Prof. Dr. Bernd Kochendörfer), Straßenwesen
(Prof. Dr. Siegfried Huschek) sowie externe Partner aus der Wirtschaft.
Untersucht werden drei mögliche Organisationsmodelle: der
Übergang von der öffentlichen Autobahnverwaltung zu einem
effizienter gemanagten öffentlichen Unternehmen (Staatliche
Autobahn AG), die Versteigerung von PPP-Projekten für kürzere
Autobahnstrecken (Streckenprivatisierung) sowie Projekte, die regionale
Teilnetze betreiben (Netzprivatisierung). Im Mittelpunkt steht die
Frage, welche Gesamtkosten vorliegen. Produktionskosten können
von Bauingenieuren über die Abschätzung von Synergieeffekten
ermittelt werden. Weiterhin fallen so genannte Vertretungs- und
Transaktionskosten an, weil Unternehmen zur Gewinnmaximierung auch
Interessen verfolgen, die nicht den Vorgaben des Staates entsprechen.
Deshalb wird der Staat umfangreiche Verträge abschließen
und die Unternehmen überwachen. Hier ist die ökonomische
Analyse von Wirtschaftswissenschaftlern genauso gefragt wie die
ingenieurwissenschaftlichen Erkenntnisse über die Prognostizierbarkeit
von verschiedenen Kostenfaktoren im Straßenbau.
"Neben dem wissenschaftlichen Fortschritt soll das Projekt
helfen", so fasst Beckers Kollege Jan Peter Klatt die wichtigsten
Anliegen zusammen, "das Thema Autobahnprivatisierung aus den
Schlagzeilen der Boulevardpresse heraus, und in die Köpfe der
Politiker hineinzubringen, damit Autobahnen effizienter bereitgestellt
werden können und die Nutzer nicht zu viel dafür bezahlen
müssen."
pp
Tel.: 314-2 32 43
http://wip.tu-berlin.de
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