6/04
Juni 2004
 
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Persönlichkeiten und Perspektiven

Auch die großen Geister der TU Berlin stritten schon: Wie soll das Verhältnis von Theorie und Praxis an einer technischen Hochschule sein?

 
  Pionier der modernen Telekommunikation: Adolf Slaby

Am Anfang war Streit. Der entbrannte um die Frage, was für die Ingenieursausbildung besser sei: Orientierung auf Grundlagenwissenschaft und Mathematik oder das praxisnahe Experiment. Das Dreigestirn Franz Reuleaux, Adolf Slaby, Alois Riedler vertrat seit dem Einzug der Berliner Technischen Hochschule (TH) in Charlottenburg die Abteilung Maschinenbau und Elektrotechnik - die Schlüsseltechnologien der Jahrhundertwende - und war sich einig in der Betonung einer engen Verbindung von Lehre und Forschung sowie Hochschule und Industrie. Doch in der Frage, wie viel Theorie und wie viel Praxis an einer technischen Hochschule zulässig sei, schieden sich die Geister. Riedler setzte sich durch, Reuleaux trat zurück und die TH erhielt - nach amerikanischem Vorbild - ein Maschinenbaulaboratorium. Slaby förderte als Pionier wissenschaftlich und praktisch die drahtlose Telegrafie. So konnte in Berlin - neben Siemens und AEG - mit Telefunken ein weiterer Schwerpunkt der elektrotechnischen Industrie entstehen.

 
Nobelpreisträger Ernst Ruska an seinem Elektronenmikroskop  

Das Buch "The shoulders on wich we stand - Wegbereiter der Wissenschaft", herausgegeben von Professor Eberhard Knobloch zum 125-jährigen Jubiläum der TU Berlin, erinnert an all diese großen Geister der Hochschule.

Dem Engagement dieser wissenschaftlichen Autoritäten war es zu danken, dass die Berliner TH 1899 als erste technische Hochschule das Promotionsrecht erhielt. Das bedeutete akademische Gleichstellung. Eine weitere Pionierleistung der Berliner TH war die von August Wöhler konzipierte Versuchsanstalt, wo Materialprüfungsverfahren entwickelt wurden, ohne die kein modernes Industrieunternehmen auskommt. Der technische Fortschritt bewirkte aber auch, dass der 1. Weltkrieg zum "Krieg der Techniker" wurde und in Materialschlachten und Massenvernichtung endete. Verdun war die Chiffre.

 
  Vater des Computers: Konrad Zuse

Zwanzigerjahre. An der TH begann eine Zeit der Innovationen und Reformen. Neben den Fokus auf die Produktion trat jetzt auch jener auf den Arbeitsprozess und den Faktor Mensch. Die Stichworte der Zeit hießen Rationalisierung und Revolution in den Naturwissenschaften. Mit den Namen Georg Schlesinger, Goetz Briefs und Willy Prion verband sich die Integration der Wirtschaftswissenschaften in die technikwissenschaftliche Ausbildung. Briefs gründete 1928 das erste betriebssoziologische Institut an einer deutschen Hochschule. Gustav Hertz (Nobelpreis 1925) baute ab 1927 ein Physikalisches Institut an der TH Berlin auf, das zum führenden Zentrum der hochtechnologischen Forschung mit dem umfassendsten Lehrangebot in Deutschland wurde. Er prägte den Begriff des "forschenden Lernens"; Physiker und Ingenieure arbeiteten zum gegenseitigen Vorteil zusammen. Anfang der Dreißigerjahre entwickelte ein junger Doktorand, Ernst Ruska, das erste serienreife Elektronenmikroskop, eine Leistung, die ihm 1986 den Nobelpreis einbrachte.

Der Machtantritt der Nazis bedeutete das Ende der Reformära. Briefs, Schlesinger, Prion und Hertz verloren ihre Ämter, die Grundlagenforschung wurde zum "Hilfsfach". Aber in diese Zeit fällt auch das Wirken eines Mannes, der zu Recht als Vater des Computerzeitalters gilt: Konrad Zuse. Unter abenteuerlichen Umständen, permanenter Existenzgefährdung, aber mit bewunderungswürdigem Enthusiasmus baute er mit "Z 3" die erste funktionsfähige programmierbare Rechenanlage. In der Nachkriegszeit erkannte vor allem Wolfgang Haack die Epoche machende Bedeutung dieser Leistung, setzte sich für Zuse und seine Erfindung ein und etablierte so in den Fünfzigerjahren an der TU Berlin ein modernes Rechenzentrum.

Hans Christian Förster,
Joachim Schilfert

"The shoulders on which we stand", herausgegeben von Eberhard Knobloch, ist erhältlich im Uni-Shop im Foyer des Hauptgebäudes
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