Persönlichkeiten und Perspektiven
Auch die großen Geister der TU Berlin stritten schon:
Wie soll das Verhältnis von Theorie und Praxis an einer technischen
Hochschule sein?
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Pionier der
modernen Telekommunikation: Adolf Slaby |
Am Anfang war Streit. Der entbrannte um die Frage, was für
die Ingenieursausbildung besser sei: Orientierung auf Grundlagenwissenschaft
und Mathematik oder das praxisnahe Experiment. Das Dreigestirn Franz
Reuleaux, Adolf Slaby, Alois Riedler vertrat seit dem Einzug der
Berliner Technischen Hochschule (TH) in Charlottenburg die Abteilung
Maschinenbau und Elektrotechnik - die Schlüsseltechnologien
der Jahrhundertwende - und war sich einig in der Betonung einer
engen Verbindung von Lehre und Forschung sowie Hochschule und Industrie.
Doch in der Frage, wie viel Theorie und wie viel Praxis an einer
technischen Hochschule zulässig sei, schieden sich die Geister.
Riedler setzte sich durch, Reuleaux trat zurück und die TH
erhielt - nach amerikanischem Vorbild - ein Maschinenbaulaboratorium.
Slaby förderte als Pionier wissenschaftlich und praktisch die
drahtlose Telegrafie. So konnte in Berlin - neben Siemens und AEG
- mit Telefunken ein weiterer Schwerpunkt der elektrotechnischen
Industrie entstehen.
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Nobelpreisträger Ernst
Ruska an seinem Elektronenmikroskop |
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Das Buch "The
shoulders on wich we stand - Wegbereiter der Wissenschaft",
herausgegeben von Professor Eberhard Knobloch zum 125-jährigen
Jubiläum der TU Berlin, erinnert an all diese großen
Geister der Hochschule.
Dem Engagement dieser wissenschaftlichen Autoritäten war es
zu danken, dass die Berliner TH 1899 als erste technische Hochschule
das Promotionsrecht erhielt. Das bedeutete akademische Gleichstellung.
Eine weitere Pionierleistung der Berliner TH war die von August
Wöhler konzipierte Versuchsanstalt, wo Materialprüfungsverfahren
entwickelt wurden, ohne die kein modernes Industrieunternehmen auskommt.
Der technische Fortschritt bewirkte aber auch, dass der 1. Weltkrieg
zum "Krieg der Techniker" wurde und in Materialschlachten
und Massenvernichtung endete. Verdun war die Chiffre.
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Vater des Computers:
Konrad Zuse |
Zwanzigerjahre. An der TH begann eine Zeit der Innovationen und
Reformen. Neben den Fokus auf die Produktion trat jetzt auch jener
auf den Arbeitsprozess und den Faktor Mensch. Die Stichworte der
Zeit hießen Rationalisierung und Revolution in den Naturwissenschaften.
Mit den Namen Georg Schlesinger, Goetz Briefs und Willy Prion verband
sich die Integration der Wirtschaftswissenschaften in die technikwissenschaftliche
Ausbildung. Briefs gründete 1928 das erste betriebssoziologische
Institut an einer deutschen Hochschule. Gustav Hertz (Nobelpreis
1925) baute ab 1927 ein Physikalisches Institut an der TH Berlin
auf, das zum führenden Zentrum der hochtechnologischen Forschung
mit dem umfassendsten Lehrangebot in Deutschland wurde. Er prägte
den Begriff des "forschenden Lernens"; Physiker und Ingenieure
arbeiteten zum gegenseitigen Vorteil zusammen. Anfang der Dreißigerjahre
entwickelte ein junger Doktorand, Ernst Ruska, das erste serienreife
Elektronenmikroskop, eine Leistung, die ihm 1986 den Nobelpreis
einbrachte.
Der Machtantritt der Nazis bedeutete das Ende der Reformära.
Briefs, Schlesinger, Prion und Hertz verloren ihre Ämter, die
Grundlagenforschung wurde zum "Hilfsfach". Aber in diese
Zeit fällt auch das Wirken eines Mannes, der zu Recht als Vater
des Computerzeitalters gilt: Konrad Zuse. Unter abenteuerlichen
Umständen, permanenter Existenzgefährdung, aber mit bewunderungswürdigem
Enthusiasmus baute er mit "Z 3" die erste funktionsfähige
programmierbare Rechenanlage. In der Nachkriegszeit erkannte vor
allem Wolfgang Haack die Epoche machende Bedeutung dieser Leistung,
setzte sich für Zuse und seine Erfindung ein und etablierte
so in den Fünfzigerjahren an der TU Berlin ein modernes Rechenzentrum.
Hans Christian Förster,
Joachim Schilfert
"The
shoulders on which we stand", herausgegeben von Eberhard
Knobloch, ist erhältlich im Uni-Shop im Foyer des Hauptgebäudes |
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