PISA-Studie bei Bienen
Auch Insekten lernen unterschiedlich - TU-Wissenschaftlerin
untersucht deren Lernverhalten
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Wird die Antenne einer Biene
mit einem Tropfen Zuckerwasser berührt, streckt sie reflexartig
den Rüssel heraus. Das wird bei Konditionierungsexperimenten
ausgenutzt |
Von Mathematik und Fremdsprachen versteht sie zwar nichts, aber
wenn es um das Lernen von Düften oder Oberflächen geht,
macht der Honigbiene, Apis mellifera, so schnell keiner was vor.
Doch nicht jede Biene lernt gleich gut, wie Ricarda Scheiner, Neurobiologin
am Institut
für Ökologie der TU Berlin, herausfand.
Pollensammlerinnen lernen besser als Nektarsammlerinnen. Und ausfliegende
Sammelbienen besser als ihre jüngeren Kolleginnen, die die
Arbeit im Stock verrichten. Die Ursache für diese Unterschiede
liegt zum großen Teil in der Empfindlichkeit für den
Belohnungsreiz Zuckerwasser.
Diese Empfindlichkeit kann durch die so genannte Rüsselreaktion
untersucht werden. Hält man einer kleinen "Probandin"
eine Zuckerlösung an die Antennen, die süßer ist
als ihre Geschmacksschwelle, streckt sie reflektorisch den Rüssel
heraus. Mit unterschiedlich konzentrierten Lösungen lässt
sich die individuelle Empfindlichkeit einer Biene für Zuckerwasser
bestimmen.
Die Rüsselreaktion wird auch bei Lernversuchen ausgenutzt.
Beim taktilen Lernen wird der Biene ein Plättchen zum Abtasten
gegeben. Während sie das Plättchen "scannt",
wird durch Berührung der Antennen mit Zuckerwasser die Rüsselreaktion
ausgelöst. Streckt die Biene den Rüssel heraus, wird sie
mit Zuckerwasser gefüttert. Bereits nach wenigen Lerndurchgängen
hat sie gelernt, beim Abtasten des Plättchens ihren Rüssel
herauszustrecken. Ähnlich können Bienen auch auf einen
bestimmten Duft konditioniert werden.
Warum aber lernen Pollensammlerinnen besser als ihre Nektar sammelnden
Kolleginnen? "Weil sie motivierter sind", vermutet Ricarda
Scheiner. Für sie sei die Zuckerwasserbelohnung "wertvoller"
als für Nektarbienen. Tatsächlich verschwinden die Lernunterschiede
zwischen Pollen- und Nektarbienen, wenn man Tiere mit gleicher Empfindlichkeit
trainiert. Inwieweit diese Befunde aus Laborexperimenten auf das
Lernen beim Blütenbesuch im Freiland übertragbar sind,
soll als Nächstes untersucht werden. Kennt man die Empfindlichkeit
einer Biene für Zuckerwasser, lassen sich auch gute Vorhersagen
über ihre Empfindlichkeit für Licht und Pollen machen.
Experimente an zwei genetischen Linien von Honigbienen zeigten,
dass die Gene zu einem guten Teil die Empfindlichkeit bestimmen.
Aber auch die Menge an Brut, die im Stock zu versorgen ist, und
das Angebot an Nektar sind wichtige Faktoren.
Die komplexen molekularen Mechanismen der Empfindlichkeit sind
außerordentlich schwer zu untersuchen. Es gibt jedoch experimentelle
Hinweise darauf, dass verschiedene Neurotransmitter an der Steuerung
der Empfindlichkeit beteiligt sind.
Dr. Ricarda Scheiner wurde für ihre Dissertation mit dem Tiburtius-Preis,
der mit 4000 Euro dotiert ist, ausgezeichnet. Die Landeskonferenz
der Rektoren und Präsidenten der Berliner Hochschulen (LKRP)
verleiht jährlich drei Tiburtius-Preise und zusätzlich
drei Anerkennungspreise an Doktorandinnen und Doktoranden der Berliner
Hochschulen für hervorragende Dissertationen und drei Preise
an Absolventinnen und Absolventen der Berliner Fachhochschulen für
hervorragende Diplomarbeiten.
Catarina Pietschmann
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