Gute Wissenschaft ist finanzierbar, wenn die Politik will
Interview mit Peter Gaehtgens, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz
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Peter Gaehtgens |
Herr Professor Gaehtgens, Bundeskanzler Schröder hielt
den einleitenden Vortrag auf der HRK-Jahresversammlung. Wie eng
ist die Zusammenarbeit der HRK mit der Bundesregierung? Inwieweit
wird Ihre Stimme gehört?
Es gibt einen beständigen Dialog, konkrete Kooperationen mit
verschiedenen Ministerien in Form von Projekten und hier und da
auch Meinungsunterschiede. Naturgemäß ist das Bundesministerium
für Bildung und Forschung unser wichtigster Ansprechpartner.
Aber wenn der Bundeskanzler vor der Jahresversammlung spricht, ist
das natürlich ein besonderes Signal: Die Bundesregierung nimmt
Wissenschaft als Garant der Zukunft ernst und dabei sind die Hochschulen
natürlich ein zentral wichtiger Ansprechpartner.
Nachwuchsförderung war das große Thema dieser Tagung.
Die ist natürlich immer wichtig. Warum aber wird sie gerade
jetzt so betont?
Wir befinden uns in einem zunehmenden internationalen Wissenschaftswettbewerb
und gleichzeitig mitten in einem Generationenwechsel. Zwischen 2001
und 2010 sind überdurchschnittlich viele Professuren altersbedingt
neu zu besetzen. Dabei muss es uns darum gehen, den hoch qualifizierten
Nachwuchs in Deutschland zu halten oder hierher zu holen. Wir haben
- umstrittene - neue gesetzliche Regelungen für die Qualifizierungsphase
und die dienstrechtliche Stellung des wissenschaftlichen Personals,
die in den Ländern erst noch umgesetzt werden müssen.
So viel Bewegung war auf diesem Feld sehr, sehr lange nicht.
Welche Schritte sind konkret geplant und wo kann die HRK unterstützen?
Die Einführung der Juniorprofessur und eine stärker leistungsorientierte
Besoldung sowie die Einbeziehung der Promotionsphase in den Bolognaprozess
sind sicher zentrale Entwicklungsstränge. Die HRK muss sich
in der Diskussion ausdauernd im Sinne der Qualität des Hochschulsystems
zu Wort melden. Sie vertritt dabei auch, aber nicht nur die Interessen
der betroffenen Gruppen.
Ist mit den derzeitigen Reformvorhaben der Wissenschaftsstandort
Deutschland stabil zu halten beziehungsweise die Abwanderung der
jungen und besten Köpfe, der so genannte "brain drain",
aufzuhalten? Welche konkreten Schritte müssen forciert werden?
Wenn junge, kluge Leute ins Ausland gehen, um zu forschen, ist
das an sich kein Problem, sondern Ausdruck eines lebendigen internationalen
Wissenschaftsbetriebes. Wenn aber im Gegenzug viel weniger hoch
begabte Ausländer zu uns kommen und deutsche Forscher nicht
zurückkommen, weil die Arbeitsbedingungen hier zu schlecht
sind, dann haben wir ein Problem. Leider ist das derzeit die Diagnose.
Notwendig ist ein ganzes Maßnahmenpaket: ein offenes, kooperatives
Klima, in dem auch der junge Nachwuchswissenschaftler kollegiale
Unterstützung findet, viel mehr Handlungsspielraum für
die Hochschulen bei der Berufung von umworbenen Spitzenleuten, verbesserte
Rahmenbedingungen und Fürsorge für diese Wissenschaftler
bis hin zur Unterstützung bei der Lebensgestaltung in Deutschland,
bessere ausländerrechtliche Regelungen und natürlich eine
deutlich verbesserte Grundausstattung der Hochschulen.
Sind die Reformen aus Ihrer Sicht langfristig finanzierbar oder
besteht die Gefahr, dass sie auf halber Strecke aufgegeben werden
müssen? Auf welche sollte man sich konzentrieren oder welche
könnte man hinzufügen?
Die Pläne von Bund und Ländern, die unter dem Stichwort
"Eliteförderung" diskutiert werden, sind auch langfristig
finanzierbar, wenn der politische Wille da ist. Nicht nur, weil
es sich um vergleichsweise überschaubare Summen handelt, sondern
vor allem, weil es sich um echte Zukunftsinvestitionen handelt.
Die Bundesregierung hat mit der Option auf eine Verstetigung ihres
Programms ja schon deutlich gemacht, dass das Ziel nur mit einem
andauernden Wettbewerb um Exzellenzförderung zu erreichen ist.
Aber insgesamt sind die Hochschulen seit langem chronisch unterfinanziert
und hier muss noch viel mehr passieren.
Die Länder haben vorgeschlagen, Spitzenwissenschaft durch
die Förderung neuer Strukturen zu unterstützen, zum Beispiel
zusätzliche Mittel für Exzellenznetzwerke bereitzustellen
und entwicklungshemmende Strukturen abzubauen. Welche sind das?
Was können die Hochschulen selbst tun?
Wir werden sehen, wie sich diese Programme konkret entwickeln.
Aber wir haben in Deutschland eine Reihe von Strukturproblemen im
rechtlichen Bereich: Zulassung, Kapazitätsverordnung, Ausländerrecht
oder tarifliche Regeln, die der Wissenschaft nicht angemessen sind.
Die Kooperation zwischen Hochschulen und den zahlreichen außeruniversitären
Forschungseinrichtungen muss dringlich intensiviert werden. Und
schließlich tun wir zu wenig für den wissenschaftlichen
Nachwuchs. Graduiertenschulen sind daher wichtig, aber dann auch
eine anschließende Beschäftigungsperspektive.
Herr Professor Gaehtgens, vielen Dank.
Die Fragen stellte Patricia Pätzold
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