Chancenlos Spitze - in Deutschland fehlt die Wissenschaftskultur
Tagung der Hochschulrektorenkonferenz: Für exzellente junge
Wissenschaftler gibt es in Deutschland kaum Stellen
Seine Bewerbung damals in Amerika war zwar nicht erfolgreich, aber
Dr.-Ing. Olaf A. Cirpka, der heute in der Schweiz forscht, erinnert
sich gern daran. Die Professoren vermittelten ihm das Gefühl,
sich für seine Arbeit zu interessieren. Anders in Deutschland.
Da hatte er als junger Wissenschaftler bei Bewerbungen an den Universitäten
selten dieses Gefühl.
Damit beschrieb der 40-Jährige auf der Jahresversammlung der
Hochschulrektoren in Berlin, die sich mit der Situation des wissenschaftlichen
Nachwuchses beschäftigte, eine Erfahrung, die wohl nicht nur
er machen musste. Vier junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
beklagten während der Diskussion über Chancen für
den Nachwuchs ein zum Teil erschreckend frostiges Klima gegenüber
Leistungsbereitschaft und Qualität. In Deutschland fehle schlicht
eine Wissenschaftskultur. Zu wenig würden innovative Diskurse,
die junge Wissenschaftler einbrächten, zugelassen, sagte Monika
Sokol, Juniorprofessorin an der Universität Bayreuth.
Ein anderes Problem sei die Perspektivlosigkeit im eigenen Land.
Dennoch war man sich einig, dass die Ausbildung des Nachwuchses
hervorragend sei. Warum sonst rekrutierten die Amerikaner ihren
Nachwuchs maßgeblich aus dem deutschen Pool? Aber es gebe
in Deutschland für den mit viel Aufwand geförderten Nachwuchs
keine Stellen. Cirpka: "Absurd. So finanziert Deutschland die
wissenschaftliche Exzellenz in den USA."
Kritisiert wurde auch, dass hierzulande noch immer nicht Leistung
allein über eine wissenschaftliche Karriere entscheide, Personalentscheidungen
zu wenig transparent seien und es an den Fakultäten an professionalisierten
Leitungsstrukturen mangele. "Die Mandatsträger sind zu
selten auch die Leistungsträger in den Fakultäten. Das
verhindert Wettbewerb", sagte Dr. med. Oliver Eickelberg aus
Gießen. Auch würden bürokratische Barrieren der
Juniorprofessur den Garaus machen, war sich das Auditorium einig.
In seinem Resümee der Tagung forderte HRK-Präsident
Prof. Dr. Peter Gaehtgens unter anderem eine Revision der Berufungsverfahren,
eine stärkere Strukturierung des Promotionswesens und eine
mentale Erneuerung der Universitäten, damit sich junge Leute
nicht mehr fragen müssten, ob sie an deutschen Universitäten
willkommen seien.
Sybille Nitsche
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