Für den sicheren und pünktlichen Luftverkehr der Zukunft
Starke Beteiligung der TU Berlin an Forschungsvorhaben zur Luftverkehrsinfrastruktur
von morgen
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Auch der Flughafen Frankfurt/M.,
internationales Luftkreuz in Deutschland, soll optimiert werden |
Die Auswirkungen der Engpässe im Luftverkehr kennt jeder Flugpassagier
aus eigenen unangenehmen Erfahrungen. Ungünstiges Wetter und
Kapazitätsengpässe bei der Flugsicherung und auf den Flughäfen
sorgen für Verspätungen. Neue Lösungen werden an
der TU Berlin entwickelt.
Die Kapazitätsprobleme des Luftverkehrs machen deutlich, dass
es nicht ausreicht, nur leistungsfähige Flugzeuge zu entwickeln:
Auch die zugehörige Infrastruktur muss in der Lage sein, das
Verkehrsaufkommen aufnehmen zu können. Der Bau neuer Flughäfen
ist - wie man in Berlin nur zu gut weiß - zeitaufwändig
und teuer. Eine effektivere Nutzung vorhandener Kapazitäten
lässt sich schneller und billiger realisieren. Es sind jedoch
neue Technologien und Verfahren zur Kapazitätssteigerung der
vorhandenen Infrastruktur erforderlich.
Um diese Technologien zu erforschen, konnte das Fachgebiet
Flugführung und Luftverkehr der TU Berlin im vergangenen
halben Jahr mehrere durch Bundesregierung und Industrie geförderte
Forschungsprojekte neu einwerben. Dabei konnte Prof. Dr.-Ing. Manfred
Fricke Projekte im Wert von 1,31 Millionen Euro und Prof. Dr.-Ing.
Gerhard Hüttig im Wert von 0,45 Millionen Euro gewinnen. Voraussetzung
für diese Drittmitteleinwerbungen mit einem Gesamtvolumen von
1,76 Millionen Euro ist die in Europa einmalige Infrastruktur des
Instituts
für Luft- und Raumfahrt, deren zentraler Bestandteil der
A330/340-Flugsimulator ist. Das Fachgebiet Flugführung und
Luftverkehr gilt in Lehre und Forschung seit Jahrzehnten als ein
führendes europäisches Kompetenzzentrum der Luftfahrtforschung
und kann dies durch zahlreiche Absolventen in leitenden Positionen
und vielfältige Forschungsaktivitäten nachweisen.
Ein traditionsreiches Forschungsfeld des Fachgebiets Flugführung
und Luftverkehr an der TU Berlin ist die Optimierung der Flugsicherungsprozesse.
Dadurch kann die Kapazität des Luftraums gesteigert werden.
Zu diesem Thema fördert die Bundesregierung im Rahmen des dritten
Luftfahrtforschungsprogramms (kurz LuFo III) das Projekt "Kooperatives
Air Traffic Management", kurz als K/ATM bezeichnet. Ziel des
Projekts ist die Entwicklung eines von Airlines, Flughafenbetreibern
und Flugsicherung kooperativ genutzten Planungssystems, das eine
durchgängige planbasierte Abwicklung aller Flugbewegungen am
und um den Flughafen erlaubt. Das Fachgebiet Flugführung und
Luftverkehr ist mit zwei Vorhaben an diesem Projekt beteiligt. Eine
Arbeitsgruppe wird sich mit der Evaluation und Zulassung neuer Anflugsysteme,
die auf Satellitennavigationsverfahren basieren, beschäftigen.
Diese "Ground Based Augmentation Systems", kurz GBAS,
stellen eine Ergänzung zu bekannten Satellitennavigationssystemen
wie GPS oder GALILEO dar. Sie steigern die Zuverlässigkeit
und Genauigkeit der Positionsangabe erheblich, sodass sie langfristig
bisherige Instrumentenlandesysteme vollständig ersetzen sollen.
Da GBAS wesentlich preiswerter zu realisieren sind als bisherige
Systeme, können Präzisionslandesysteme an mehr Flughäfen
bereitgestellt werden, was einen erheblichen Gewinn an Sicherheit
und Wetterunabhängigkeit des Flugverkehrs ermöglicht.
Die zweite Projektgruppe entwickelt ein ereignisorientiertes Simulationskonzept
für Flugsicherungsprozesse. Dieses innovative System soll eine
schnelle und realitätsnahe Evaluation von neuen Flugsicherungskonzepten
ermöglichen und stellt damit einen der Grundpfeiler des K/ATM-Vorhabens
dar. In den beiden Vorhaben arbeiten die Wissenschaftler der TU
Berlin intensiv mit der Deutschen Flugsicherung GmbH sowie dem Deutschen
Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig zusammen.
Gemeinsam mit dem Flughafenbetreiber FRAPORT
AG untersucht eine Forschergruppe der TU Berlin im Rahmen des
- ebenfalls durch LuFo III geförderten - Verbundprojektes "Zweischwellenbetrieb"
Möglichkeiten, um die Landebahnkapazität trotz schwieriger
Umgebungsbedingungen zu steigern. Die beiden parallel verlaufenden
Landebahnen des Frankfurter Flughafens haben einen zu geringen Abstand
für einen unabhängigen Betrieb auf beiden Bahnen. Die
Folge ist, dass zwischen anfliegenden Flugzeugen große Zeitabstände
eingehalten werden müssen. Durch eine Verschiebung der Landebahnschwelle
entlang der Bahn können die Anflugwege stärker voneinander
getrennt werden, wodurch die Anzahl der Landungen pro Stunde deutlich
erhöht werden kann, ohne dass umfangreiche Baumaßnahmen
erforderlich sind. Ein solches Betriebsverfahren erprobt der Frankfurter
Flughafen seit mehreren Jahren. Im Rahmen des jetzt begonnenen Forschungsvorhabens
sollen Strategien zur Optimierung der Betriebsabfolge untersucht
werden, mit denen das Verfahren weiterentwickelt und die Kapazität
des Frankfurter Landebahnsystems erhöht werden kann. Begleitend
werden arbeitswissenschaftliche Studien im Flugsimulator an der
TU Berlin durchgeführt, um Sicherheit, Umweltverträglichkeit
und Akzeptanz der neuen Betriebsverfahren gewährleisten zu
können.
Sicherheitsaspekte stehen auch im Zentrum eines dritten Verbundvorhabens,
in dem Wissenschaftler der TU Berlin sich mit der Konzeption und
Umsetzung von Sicherheitsmanagementsystemen (SMS) für Flughäfen
beschäftigen. In diesem Rahmen sollen Grundlagen für die
Bewertung von Sicherheitsmaßnahmen, wie die Bereitstellung
von Flughafenfeuerwehren oder die Regelung des Rollverkehrs auf
Flughäfen, erarbeitet und entsprechende Richtlinien vorbereitet
werden. Partner in diesem Vorhaben sind die Flughafen
München GmbH und das Bundesministerium
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
Die Steigerung der Sicherheit in der Luft ist das Ziel des Co-Space-Projekts,
das vom Forschungszentrum der europäischen Flugsicherungsbehörde
Eurocontrol
in Bretigny bei Paris geleitet wird. Hauptaspekte sind die Untersuchung
der Machbarkeit und der Vorteile von Verfahren zur bordseitigen
Kontrolle von Separationsabständen ("airborne spacing")
mithilfe der Erteilung von Kontrollanweisungen ("spacing instructions")
durch die Lotsen der Flugverkehrskontrolle. Wissenschaftler der
TU Berlin werden im Rahmen dieses Projekts experimentelle Untersuchungen
im Flugsimulator durchführen.
Ebenfalls einen europäischen Hintergrund hat das von dem Flugzeughersteller
Airbus finanzierte
Projekt INFRACAP, das Möglichkeiten zu einer effizienteren
Nutzung der Luftfahrtinfrastruktur untersucht. Hierbei analysiert
ein Forscherteam erstmals methodisch alle Luftfahrzeugeigenschaften,
die einen Einfluss auf die Kapazität der Luftverkehrsinfrastruktur
haben. Ziel ist es, die Interaktion zwischen Luftfahrzeugeigenschaften
und Infrastruktur besser zu verstehen. Auf dieser Wissensbasis können
Lösungen zur Steigerung der Kapazität gefunden und evaluiert
werden, die ohne teure bauliche Maßnahmen auskommen. Mit diesen
Ergebnissen sollen Technologien und Konzepte für das kapazitätssparsame
und umweltverträgliche Flugzeug der Zukunft entwickelt werden.
Dipl.-Ing. Florian Böhm
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