In Deutschland fehlen Ingenieure
Erfahrungen von Unternehmen auf der Suche nach Technikern
Es ist paradox: Einerseits sind in Deutschland viele Ingenieure
über vierzig arbeitslos, andererseits herrscht ein gravierender
Ingenieur-Mangel im Land. Aus einer aktuellen Studie des Vereins
Deutscher Ingenieure (VDI) geht hervor, dass 40 Prozent der
befragten Firmen Probleme hätten, offene Stellen für Ingenieure
zu besetzen. Die Bewerberzahl sei gering und es fehlten insbesondere
Mitarbeiter in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Konstruktion.
Dies führe dazu, dass 16 Prozent der Betriebe offene Stellen
gar nicht besetzten beziehungsweise jedes fünfte Unternehmen
notgedrungen einen weniger geeigneten Bewerber einstelle. Ein Grund
für den Mangel sei das geringe Interesse an ingenieurwissenschaftlichen
Studiengängen. TU intern befragte Unternehmen zu ihren Erfahrungen
bei der Suche nach Ingenieuren.
Dr.-Ing.
Wolfgang Holstein, Geschäftsführer der HMS
Technologie GmbH in Berlin
Die Aussage der VDI-Studie können wir aus unserer
Sicht nicht nachvollziehen. Für interessante Aufgaben lassen
sich immer noch engagierte und fähige Köpfe finden. Wenn
es hierzulande unbesetzte Ingenieursstellen gibt, wenn in unserer
Spaßgesellschaft der Zeitgeist gegen die Ingenieurlaufbahn
spricht, dann liegt es aber auch an der ängstlichen Verweigerungshaltung
derjenigen, die kreative Ingenieure mit Risikokapital und gesellschaftlichem
Ansehen ausstatten könnten. Damit meine ich Banken, Risikokapitalisten,
Personalchefs und Unternehmensinhaber. Überall auf der Welt
ist das Klima für die hohe Ingenieurskunst besser als bei uns.
Wir haben immer die Ingenieure als Partner und nicht als Erfüllungsgehilfen
im Unternehmen gesehen - und sind bisher gut damit gefahren.
Hinrik
Weber, Technischer Niederlassungsleiter bei Visolux, Zweigniederlassung
der Pepperl
+ Fuchs GmbH
Die Ergebnisse der VDI-Studie decken sich auch mit den Erfahrungen
in unserem Unternehmen. Auch wir können häufig die Stellen
von Entwicklungsingenieuren und Konstrukteuren nur mit einem hohen
Aufwand besetzen. Aus diesem Grund bauen wir seit zwei Jahren unsere
Hochschulmarketingaktivitäten kontinuierlich aus. Durch die
regelmäßige Präsenz auf Hochschulmessen und durch
die frühzeitige Bindung von Praktikanten und Werkstudenten
an unser Unternehmen erhoffen wir uns in Zukunft eine schnellere
Besetzung der offenen Positionen. Außerdem haben wir in diesem
Jahr ein Traineeprogramm ins Leben gerufen, mit dem wir Absolventen
auf die Übernahme einer Führungsaufgabe in der Entwicklungsabteilung
vorbereiten.
Beate
Allner, Manager Talent Supply Deutschland, Motorola
GmbH
Die Besetzung technischer Positionen ist oft eine
anspruchsvolle Aufgabe, da einerseits die Anforderungen hoch und
vielschichtig sind und andererseits häufig ganz bestimmte Kenntnisse
und Erfahrungen notwendig sind, um eine Position wirklich auszufüllen.
Umso wichtiger ist die gezielte Nachwuchsförderung in technischen
Berufen für zukünftige Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.
Hier ist die Zusammenarbeit von Wirtschaft, Industrie und Ausbildung
gefragt.
Motorola bietet Nachwuchskräften aus Schule
und Universität an, bereits vor der Berufswahl technische Berufe
kennen zu lernen: durch Besichtigungen, Diskussionen mit Experten,
Ausbildungsplätze, interessante Praktika und Diplomarbeiten.
Die Technische Universität Berlin ist hierbei ein wichtiger
Partner: viele Institute sind international ausgerichtet und bieten
eine breit gefächerte Ausbildung, so bereiten sie den Nachwuchs
auf globale Zusammenarbeit und vielseitige Aufgabenbereiche vor.
Ehemalige Studenten der TU Berlin beteiligen sich als Motorola-Mitarbeiter
aktiv an dieser Nachwuchsarbeit - über Generationsgrenzen hinweg.
Christoph
Miethke, Geschäftsführer der Christoph
Miethke GmbH & Co. KG, Hersteller von Implantaten
Unser Unternehmen hatte bisher keine Probleme, geeignete Ingenieure
zu
finden. Seit der Gründung des Unternehmens im Jahre 1992 ist
die Einbindung von studentischen Hilfskräften in alle für
Ingenieure relevanten Bereiche von strategischer Bedeutung. Einerseits
werden hierdurch ähnliche Möglichkeiten für Ingenieur-Studenten
angeboten, wie sie auch die in unserer Firma beschäftigten
Ingenieure in Unternehmungen während ihres Studiums in Anspruch
genommen haben, was bei der Qualifizierung als wesentliche und wichtige
Erfahrung erlebt wurde. Andererseits hat das Unternehmen so die
Möglichkeit, Nachwuchs selbst auszubilden und zu motivieren,
nach Abschluss des Studiums im Unternehmen zu bleiben.
Zurzeit beschäftigen wir vier Ingenieure und zwei Maschinenbaustudenten
der Technischen Universität Berlin. Die heutigen Ingenieure
waren ebenfalls zunächst studentische Mitarbeiter. Die enge
Verflechtung von akademischer Ausbildung und praktischer Erfahrung
parallel zum Studium lässt sich aus meiner Sicht keinesfalls
im Rahmen der Praktika zufrieden stellend realisieren.
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