"Die ökonomischen Auswirkungen sind dramatisch"
Ludwig Pawlowski über Herausforderungen an die Wasserversorgung
in der Stadt und die Gründe der Preissteigerungen
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Ludwig Pawlowski,
Berliner Wasserbetriebe |
Mit den weltweiten Problemen der Wasserversorgung beschäftigte
sich Anfang Oktober in Berlin auch die Internationale
Wasserkonferenz, die von der TU Berlin unterstützt wurde.
Das Eröffnungsreferat hielt Ludwig Pawlowski, Technischer Vorstand
der Berliner Wasserbetriebe.
Mit ihm sprach Sybille Nitsche für TU intern.
Herr Pawlowski, was sind die aktuellen und zukünftigen
Herausforderungen an die Wasserversorgung in Berlin?
Eines der herausragenden Probleme wird sein, dass durch die Auffüllung
der stillgelegten Braunkohletagebaue in der Lausitz eines Tages
über die Spree hohe Sulfatfrachten die Trinkwasserversorgung
gefährden können, wenn die nötigen Verdünnungsmengen
nicht vorhanden sind. Das heißt, wenn sich der zurückgehende
Niederschlag mit den tatsächlichen Abflüssen aus diesen
Seen überlagert, könnte dies zu Problemen in Berlin führen.
Das zweite große Problem ist, dass vor diesem Hintergrund
mit den wenigen Zuflüssen die Wasserversorgung Berlins aufrecht
erhalten werden muss. Da diese nur zu einem Teil mit natürlichem
Grundwasser sichergestellt wird, haben wir es mit Recyclinganteilen
aus dem gereinigten Abwasser zu tun. Das sind Stoffe, die in Klärwerken
nicht abgebaut werden wie zum Beispiel Pharmazeutika. Der dritte
große Problemkreis ist, dass 2015 alle europäischen Gewässer
in einem guten Zustand sein sollen laut Wasserrahmenrichtlinie der
EU. In Berlin wird das ohne Phosphorreduzierung nicht möglich
sein. Hier ist die Stadt aber auch von der Verringerung der Phosphormengen
in der Landwirtschaft im Umland abhängig.
Es gibt Prognosen, dass der Spreewald austrocknen könnte.
Wie beeinflusst der Spreewald den Wasserhaushalt Berlins?
Bei diesen Prognosen geht es darum, dass die Niederschlagsmengen
in der Region in 50 Jahren deutlich niedriger sein werden als momentan.
Das hat zur Folge, dass der Spreewald stirbt. Dann verdunstet dort
weniger zum Beispiel über die Laubbäume und es kommt mehr
Wasser in Berlin an. Wir liegen heute in Berlin bei 600 Millimeter
Niederschlag, in Teilen an der Oder nur noch bei 450 Millimeter
pro Jahr. Wenn sich das um die Hälfte reduziert, wird in Berlin
nicht mehr genügend Gesamtabfluss für den Uferfiltratanteil
zur Verfügung gestellt, um die gleiche Qualität der Wasserversorgung
zu sichern. Die Verdunstungsmengen sind dann größer als
das, was an Niederschlag fällt. Dann müsste der Winterniederschlag
ausreichen, um das gesamte System zu füllen. Da haben wir ein
Mengenproblem.
Die Berliner sparen Wasser, trotzdem steigen die Preise. Wie
erklären Sie das den Menschen? Die glauben, wenn sie Wasser
sparen, dann gehen auch die Preise nach unten.
Das ist ja auch so, da in Berlin, anders als in anderen Städten,
kein Grundpreis besteht. Für das, was nicht an Wasser verbraucht
wird, wird auch nichts bezahlt. Sie sparen Geld, wenn sie Wasser
sparen. Tatsächlich ist es so, dass mit der 15-prozentigen
Preiserhöhung für das Jahr 2004 aus Wasserverkauf und
Abwasserdienstleistung der gleiche Umsatz gemacht wird wie 1996.
Faktisch gesehen haben wir Inflation und andere Dinge durch innerbetriebliche
Verbesserungen aufgefangen. Die Bürger, die Industrie, das
Gewerbe - sie als Kunden der Berliner Wasserbetriebe insgesamt also
- zahlen für das Jahr 2004 für die Gesamtleistung nicht
mehr als 1996. Aber der Preis ist für 2004 gestiegen, weil
die Tarife 2000 bis 2004 die kalkulatorischen Kosten nie vollständig
gedeckt haben. Weil aber der Preis gestiegen ist, hat sich der Kunde
gesagt, jetzt zeig' ich es den Wasserbetrieben und lass' den Hahn
öfters zu. Tatsächlich ist der Verbrauch, den wir als
Basisverbrauch im Winter messen, nach der angekündigten Preiserhöhung
noch vor der ersten Rechnungslegung um drei Prozent gesunken. Das
hat ökonomisch dramatische Folgen: Die drei Prozent, die uns
im Umsatz fehlen, fehlen uns in der Kostendeckung. Das führt
zu der dreiprozentigen Preissteigerung. Die Hauptursache für
diesen Zusammenhang ist, dass wir von festen Kostenblöcken
von etwa 80 Prozent ausgehen müssen, die aus den hohen Kapitalaufwendungen
herrühren. Mit jedem Tropfen Wasser, den die Berliner sparen,
haben die Wasserbetriebe aber immer noch die 80 Prozent Gesamtbelastung.
Sie sagen, es habe in Berlin ökologisch keinen Sinn, Wasser
zu sparen. Warum?
... weil in Berlin durch das Sparen die Grundwasserstände
steigen, die die Wasserbetriebe dann künstlich niedrig halten
müssen, um Bauwerke nicht zu gefährden.
Tarifsystem reformbedürftig
Nachdem bereits in diesem Jahr die Wasserpreise in der Hauptstadt
um rund 15 Prozent gestiegen waren, wollen die Berliner Wasserbetriebe
zu Jahresbeginn 2005 erneut die Preise um fünf Prozent
auf 2,21 Euro pro Kubikmeter erhöhen. Für Prof.
Dr. Georg Meran, Leiter des Fachgebiets
Wirtschaftspolitik und Umweltökonomie an der TU Berlin
sowie Vizepräsident des Deutschen
Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin, ist die
Tarifstruktur der Berliner Wasserbetriebe reformbedürftig.
Seiner Meinung nach sollte zu einem zweiteiligen Tarifsystem
übergegangen werden, das sich aus einer Anschlussgebühr
und dem Verbrauchspreis zusammensetzt. Mit der Anschlussgebühr
ließen sich die Fixkosten der Wasserversorgung abdecken,
mit dem Verbrauchspreis die variablen Kosten, die unmittelbar
an den Verbrauch gebunden sind. Damit ließe sich der
Kreislauf durchbrechen, dass wegen des sinkenden Verbrauches
die Preise steigen. Zudem fordert Prof. Meran mehr Transparenz
bei der Preisbildung durch den Aufbau eines bundesweiten Benchmarksystems,
das einen Kosten-Leistungs-Vergleich ermöglicht.
sn
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