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Oktober 2004
 
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Träumereien am murmelnden Wasser

Literaturwissenschaft als Ortstermin - Eine Exkursion auf Rousseaus Spuren

Bei einer Lesung am Genfer See konnten die Studierenden die Leiden von Roussaus Romanhelden am Ort des Geschehens nachvollziehen

Zahlreiche Einflüsse des großen Universalgelehrten Jean-Jacques Rousseau lassen sich bei den bedeutendsten deutschsprachigen Dichtern und Gelehrten des 18. und 19. Jahrhunderts wiederfinden: vom direkten Zitat bei Goethe über glorifizierende Dichtung Hölderlins bis zur geistigen Einflussnahme Kants. Fast 4000 Kilometer Wegstrecke quer durch Europa folgten elf TU-Studierende zwölf Tage lang seinen Spuren, um das im literaturwissenschaftlichen Seminar "Rousseau und die Folgen" erarbeitete Wissen von der Wirkkraft seiner Person einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.

Angefangen in Rousseaus Geburtsstadt Genf über Orte, die von Aufenthalten des immer von Verfolgungen und später von Verfolgungswahn getriebenen Rousseau zeugen, wurden auch Institutionen besichtigt, die wertvolle Manuskripte und Originalbriefe beherbergen. Sie erlaubten Einblicke in wissenschaftliches Arbeiten. Editionsexperten und Museumsdirektoren, die die Gruppe begleiteten, standen mit Rat und Tat zur Seite. Natürlich sahen die Studierenden auch jene Wallfahrtsstätten, an denen bereits das 18. Jahrhundert immer wieder versucht hatte, die Schauplätze wieder zu erkennen, die Rousseau in seinen Werken schildert, wie die Handlungsräume seines berühmten Briefromans Julie oder die Neue Heloise. Am Ufer des Genfer Sees lauschten die Studierenden der Erzählung der stürmischen Seefahrt des Lehrers St.-Preux und seiner heißgeliebten Julie. Sie imaginierten sich in die Romanhandlung, nicht ohne selbst den einen oder anderen Seufzer auszustoßen, sie lagerten auf der Petersinsel im Bieler See und ließen sich, begleitet vom murmelden Wasser, beim Zuhören der berühmten Schilderung in den Träumereien eines einsamen Spaziergängers selbst in das Land der Träume entführen.

Auch abgelegenere Orte standen auf dem Reiseplan, zum Beispiel Motiers, ein kleines Dorf - im 18. Jahrhundert unter preußischer Protektion -, wo Rousseau einst Unterschlupf fand, bis er, durch die steineschmeißende, aufgebrachte Bevölkerung vertrieben, das Weite suchte. Der in den Bekenntnissen geschilderte Nussbaum von Bossey wurde ebenso gesucht und gefunden wie die Ferme de Maubec, ein alter Bauernhof, der in seiner Einsamkeit noch ganz rousseau'schen Geist atmet. Beweglich war die Gruppe mit Dozentin Constanze Baum durch die Nutzung eines TU-Busses und eines angemieteten Wagens. Dass Literaturwissenschaft als Ortstermin viel Spannendes und auch Unentdecktes bereithält sowie das Gelernte festigt, ist allen Teilnehmenden schnell bewusst geworden.

tui

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