Immense Herausforderung
"Studentenberg" erfordert große Anstrengungen,
eröffnet aber auch große Chancen
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KMK-Generalsekretär
Erich Thies
Foto: KMK |
In den nächsten 15 Jahren kommt auf die Hochschulen in Deutschland
eine große Herausforderung zu: Nach der aktuellen Prognose
der Kultusministerkonferenz
wird die Zahl der Studierenden an deutschen Hochschulen von aktuell
1,9 Millionen auf bis zu 2,7 Millionen in den Jahren 2012-2014 ansteigen.
Während die Studierendenzahlen durch verschiedene Einfluss-faktoren
wie Fachwechsel, Studiendauer oder Studienabbruch größeren
Unsicherheiten unterliegen, sind die Studienanfängerzahlen
aus der demographischen Entwicklung und der Bildungsbeteiligung
abzuleiten: Hier ist mit einem Anstieg von 360000 im Jahr 2004 auf
bis zu 430000 Studienanfänger im Jahr 2011 zu rechnen, wovon
bis zu 290000 auf die Universitäten und bis zu 150000 auf die
Fachhochschulen zukommen dürften. Für diesen Anstieg gibt
es mehrere Gründe:
Bis zum Jahr 2009 steigt die Zahl der jungen Menschen, die in das
typische Studienanfängeralter kommen, an. Anschließend
sind die Hochschulen mit doppelten Abiturjahrgängen konfrontiert,
die infolge der Schulzeitverkürzung auf zwölf Jahre in
den meisten Ländern vor allem in den Jahren 2011-2013 anstehen.
Darüber hinaus nimmt erfreulicherweise auch der Anteil der
jungen Menschen zu, die ihre Studienberechtigung erwerben und ein
Studium aufnehmen wollen.
Häufig wird die Frage gestellt: "Wie kommt die Kultusministerkonferenz
eigentlich zu diesen Zahlen?" Regelmäßig werden
auf Basis der aktuellen Schülerzahlen und der Bevölkerungsprognose
der amtlichen Statistik eine Vorausberechnung der Schüler-
und Absolventenzahlen und, darauf aufbauend, eine Prognose der Studienanfänger,
Studierenden und Hochschulabsolventen erstellt. Die wichtigste Eingangsgröße
für die Hochschulprognose hinsichtlich des Zeitraums bis 2020
ist die Zahl der künftigen Schulabgänger mit Studienberechtigung.
Sie wird unter den gegebenen Bedingungen im Jahr 2011 mit etwa 450000
einen Höhepunkt erreichen.
Für die Hochschulprognose wird angenommen, dass zwischen 75
Prozent und 85 Prozent der Studienberechtigten in den ersten vier
Jahren nach Erreichen der Hochschul- oder Fachhochschulreife ein
Studium an einer Universität, Fachhochschule oder Berufsakademie
aufnehmen werden. Hinzu kommen jährlich rund 14000 weitere
deutsche Studienanfänger, die ihre Studienberechtigung auf
anderen Wegen erwerben, wie zum Beispiel durch die Anerkennung beruflicher
Qualifikationen oder im Ausland. Nicht zuletzt kommen die Studienanfänger
aus dem Ausland: Deren Zahl belief sich im Jahr 2003 auf 60000.
Für die Berechnung der Studierendenzahlen insgesamt spielen
darüber hinaus Aspekte wie Fachwechsel und die Gesamtstudiendauer
eine Rolle: Etwa ein Drittel der Studierenden an Universitäten
und ein Sechstel der Studierenden an Fachhochschulen wechselte das
Studienfach. Die durchschnittliche Studienzeit liegt bei etwa 14
Semestern an Universitäten und bei zehn Semestern an Fachhochschulen.
Darin sind Fachwechsel sowie Zweit- und Ergänzungsstudiengänge
enthalten.
Durch die gestufte Studienstruktur von Bachelor und Master und
die damit verbundene Modularisierung erhoffen wir uns allerdings,
dass die Studiendauer insgesamt zurückgeht. Beurteilt werden
kann dies aber erst, wenn wirklich ein größerer Teil
der Studierenden diese Studiengänge durchlaufen hat.
Die Herausforderung, die durch die Entwicklung auf uns zukommt,
ist immens. Hier sind alle Beteiligten gefragt, große Anstrengungen
zu unternehmen, um den jungen Menschen, die an die Hochschulen kommen,
ein qualitativ hochwertiges Studium zu ermöglichen. Hierfür
werden besondere Hilfen für die Hochschulen erforderlich sein,
um die Spitzen in den Jahren 2011-2014 zu bewältigen. Da es
aber erklärtes politisches Ziel ist, angesichts der internationalen
Entwicklung den Anteil der Personen, die ein Studium absolvieren,
zu erhöhen, sind langfristig größere Anstrengungen
der Gesellschaft für die Hochschulen erforderlich. Hierzu gehören
die zügige Umsetzung der gestuften Studienstruktur, die Anpassung
der personellen und räumlichen Hochschulkapazitäten, eine
bessere Ausnutzung vorhandener Kapazitäten, ein verbessertes
Beratungs- und Betreuungssystem, Einführung des Teilzeitstudiums
sowie ein Studienfinanzierungssystem, das unnötige Verlängerungen
des Studiums minimiert.
Letztlich aber ist der Anstieg der Studienanfänger- und Studierendenzahlen
eine gute Nachricht: Gerade aufgrund der viel bemühten demographischen
Entwicklung braucht unsere Gesellschaft viele gut ausgebildete junge
Menschen, die nicht nur "die Alten" ersetzen, sondern
auch mit ihrer guten Qualifikation ein entscheidendes Potenzial
darstellen, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.
Der Autor, Prof. Dr. Erich Thies, ist Generalsekretär der
Kultusministerkonferenz
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