Die Oder als Fundgrube medizinischer Forschung
TU-Wissenschaftler untersuchten den Grenzfluss auf seine mikrobielle
Artenvielfalt - und fanden seltene Bakterien
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Bei der Entnahme der Wasserproben
an der Oder. Es wurden mehrere ungewöhnliche und seltene
Bakterienarten (Protozoen, kleines Bild) gefunden
Foto: privat (2) |
Es war eine Sensation. Was in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr.
Ulrich Szewzyk aus der Oder isoliert wurde, waren Bakterien, von
denen der Umweltmikrobiologe bisher nicht wusste, dass sie auch
in unseren Breitengraden vorkommen. Bislang waren diese Bakterien
von den Umweltmikrobiologen der TU Berlin nur in Kanada nachgewiesen
worden. Nun aber waren Ulrich Szewzyk und seine Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter quasi vor der Haustür Berlins auf sie gestoßen.
Entdeckt hatten die Wissenschaftler sie im nordöstlich von
der Hauptstadt gelegenen Nationalpark "Unteres Odertal".
Das Erstaunliche an diesen Bakterien ist, dass sie die DNA nicht
nur als Träger der Erbinformation einsetzen, sondern außerhalb
der Zelle ein fädiges Netzwerk daraus aufbauen. Szewzyk vermutet,
dass die Bakterien es zum Informations- und Stoffaustausch nutzen.
"Diese Bakterien könnten eine Verbindung darstellen zwischen
lebenden Systemen und den Strukturen der Nanotechnologie, wo man
mit Nanoröhren aus DNA arbeitet und diese als Transportvehikel
in der modernen Medizin einsetzen möchte, zum Beispiel, um
Medikamente oder gesunde Gene in kranke Zellen einzuschleusen. Wie
das funktionieren könnte, machen diese Bakterien vor",
sagt Ulrich Szewzyk.
Als Umweltmikrobiologe interessiert ihn aber nicht allein die Dokumentation
neuer Mikroorganismen, sondern vor allem deren Nutzung in der so
genannten "weißen Biotechnologie". Diese beschäftigt
sich unter anderem damit, die in der Natur vorhandenen Potenziale
zu erschließen, Schadstoffe in Gewässern abzubauen oder
biologisch wirksame Stoffe wie Antibiotika zu produzieren. Viele
Flussläufe wie etwa der Amazonas werden seit langem dahin gehend
untersucht, neue Organismen zu finden. Über ähnliche Ressourcen
verfügen auch die Ströme Europas wie zum Beispiel die
Oder. "Die Oder ist jedoch der einzige Strom Mitteleuropas,
der mikrobiologisch weitgehend unerforscht ist", sagt Szewzyk.
Das will der TU-Professor mit seiner Arbeitsgruppe nun ändern.
Ein erster Schritt wurde während des "Tages der mikrobiellen
Artenvielfalt", dem ersten seiner Art in Europa, im Sommer
dieses Jahres getan. Spezialisten aus ganz Deutschland hatten sich
getroffen, um die Oder auf ihre Fülle an Mikroorganismen wie
Bakterien, Pilze, Protozoen und Algen zu untersuchen. Insgesamt
hatten die Wissenschaftler an nur zwei Tagen 150 Arten von Mikroorganismen
in der Oder entdeckt, vor allem auch Organismen, die sonst in Deutschland
nicht oder sehr selten gefunden wurden. Aus dieser ungewöhnlich
großen Artenvielfalt schlussfolgerten die Wissenschaftler,
in der Oder künftig in großem Umfang Mikroorganismen
finden zu können, die neuartige biologische Wirkstoffe produzieren,
die für die Medizin, Tiermedizin, Landwirtschaft und Biotechnologie
interessant sein könnten.
Vom Bundesforschungsministerium
ist deshalb das Projekt "Umweltbiotechnologie Unteres Odertal",
an dem sich verschiedene Forschungseinrichtungen unter Leitung der
TU Berlin beteiligen werden, zur Förderung vorgesehen.
Sybille Nitsche
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