Die Einheit von Weisheit und Technik
Orte der Erinnerung: Conrad Matschoss - Pionier der Berliner
Technikgeschichtsschreibung
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Matschoss' Grabstein mit symbolträchtigem
Ornament: Die Eule von Minerva hat in einem Zahnrad ein Nest
gefunden. Das "Streben nach Weisheit" und die Technik
bildeten für Matschoss stets eine Einheit
Foto: Förster |
Sein Name scheint vergessen, doch es lohnt sich, an die Lebensleistung
des Ingenieurs und Technikhistorikers Conrad Matschoss zu erinnern.
War sein Wirken doch auch eng mit der TU Berlin verbunden. Hier
wirkte er ab 1909 zunächst als Lehrbeauftragter, später
als Honorarprofessor. Außerdem war die TH die erste technische
Hochschule Deutschlands, die sein Fach "Technikgeschichte"
etablierte.
Conrad Matschoss, 1871 in der Provinz Posen geboren, entstammte
einer Pastorenfamilie. Doch er wählte nach dem Abitur 1890
für einen technischen Beruf und studierte Maschinenbau an der
TH Hannover. Nach kurzer Beschäftigung in der Industrie entschied
er sich für eine lehrende Tätigkeit zunächst am Technikum
in Hildburghausen, seit 1898 an der Maschinenbauschule in Köln.
Hier entwickelte sich sein Interesse an technikgeschichtlichen Fragestellungen.
1901 publizierte er das Buch "Geschichte der Dampfmaschine:
ihre kulturelle Bedeutung, technische Entwicklung und ihre großen
Männer".
Dass ein Ingenieur und kein klassischer Historiker diese Arbeit
verfasst hatte, war ein Novum. Die akademische Geschichtsschreibung
interessierte sich - bis auf wenige Ausnahmen - nicht für die
Entwicklungsgeschichte der Technik. Dennoch erregte Matschoss' Projekt,
Technikgeschichte als wissenschaftliche Disziplin zu begründen,
Aufmerksamkeit. Die Kölner Schule und der Verein
Deutscher Ingenieure (VDI) förderten ihn. Im Jahre 1906
trat Matschoss in den Dienst des VDI, stieg auf und wurde 1916 dessen
Direktor.
1908 legte er eine zweibändige, wissenschaftlich gesicherte
Arbeit über die Entwicklung der Dampfmaschine vor. Technikgeschichte,
von Ingenieuren betrieben, hatte sich etabliert. Nun gründete
Matschoss 1909 als einen Kristallisationspunkt der technikgeschichtlichen
Forschung das Jahrbuch "Beiträge zur Geschichte der Technik
und Industrie", das er bis 1941 herausgab. Der VDI gründete
die "Technikgeschichte" 1965 als Vierteljahresschrift
wieder. In der wissenschaftlichen Leitung arbeitete bis Ende 2003
auch der derzeitige TU-Lehrstuhlinhaber für Wissenschafts-
und Technikgeschichte Wolfgang König.
Ebenfalls 1909 initiierte sein Mitstreiter und Kritiker, Franz
Maria Feldhaus, das Institut für "Quellenforschung zur
Geschichte der Technik und Naturwissenschaften". 1909 begann
auch Matschoss' dreißigjährige Lehrtätigkeit an
der TH Berlin; 1912 wurde er Prädikats- und 1929 Honorarprofessor.
1936 stellte die TH erstmalig einen Assistenten ein. Da Mattschoss
seine Lehr- und Forschungstätigkeit quasi im "Nebenamt"
ausübte, konnten nicht immer alle strengen wissenschaftlichen
Kriterien erfüllt werden.
Trotz seines Willens zur Eigenständigkeit ergaben sich Ähnlichkeiten
zur klassischen Universitätsgeschichte: Heroen wurdem geboren
- so wie in der Politik machten auch in der Technik große
Männer Geschichte. Aber Matschoss versuchte zugleich, den kulturgeschichtlichen
Denkansatz des Leipziger Historikers Karl Lamprechts (1856-1915)
für seine Arbeit produktiv zu machen. Er las und rezensierte
die Werke des Leipzigers und strebte eine Synthese von Technikgeschichte
und Kulturgeschichtsschreibung an, wie in seiner heute noch lesenswerten
Arbeit "Preußens Gewerbeförderung und ihre großen
Männer" (1921) erprobt. Mit Werner Lindner erarbeitete
er eine Dokumentation "Technische Kulturdenkmäler",
die 1932 unter diesem Titel als programmatisches Buch erschien.
Matschoss Stellung nach 1933 war zwiespältig. Er trat weder
der NSDAP bei, noch teilte er deren Rassismus und hielt auch seine
Bücher davon frei. Dennoch konnte sich der alternde Mann einer
gewissen Indienstnahme durch die Nazis nur schwer entziehen. Conrad
Matschoss starb am 21. März 1942. Seine letzte Ruhe fand er
auf dem legendären Waldfriedhof in Stahnsdorf bei Berlin.
Hans Christian Förster
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