Mitten am Rand
Die Zersiedelung deutscher Vorstädte schreitet voran -
Ein vergleichender Blick in die USA
Trotz wirtschaftlicher Stagnation verbrauchen wir im Jahr 2004
immer noch jeden Tag 90 Hektar Siedlungsfläche. Diese Zersiedelung
im Umland deutscher Städte, die so genannte Zwischenstadt,
ist ein gesellschaftliches Problem.
In den USA ist in den letzten Jahren eine breite zivilgesellschaftliche
Bewegung gewachsen, die sich gegen diese Zersiedelung, den so genannten
"Sprawl", und die daraus erwachsenden ökologischen
und sozialen Probleme in den amerikanischen Städten wendet.
Sie tritt für die Vision einer nachhaltig gestalteten Region
ein. Ihr Ziel ist es, "Sprawl" einzudämmen und soziale
Segregation sowie sozial-räumliche Disparitäten in den
Stadtregionen zu überwinden. Die Anti-Sprawl-Bewegung ist interdisziplinär
und heterogen. Sie besteht aus zahlreichen miteinander vernetzten
Organisation, Netzwerken und Institutionen, wie der "National
Low Income Housing Coalition", dem "Congress for the New
Urbanism", dem "Smart Growth Network America", dem
"Urban Land Institute", der "Brooking Institution"
oder der "American Association of Planning".
Mittlerweile behauptet das Thema "Sprawl" in den amerikanischen
Medien eine große Präsenz. Der Anti-Sprawl-Bewegung ist
es gelungen, den öffentlichen Diskurs über die Entwicklung
der Regionen, aber auch die Fachdiskussionen der Architekten, Planer
und Investoren sowie anderer Disziplinen zu beeinflussen. Zudem
wurden die politischen Eliten sensibilisiert. Damit eröffnen
sich Chancen einer Reform der Metropolenentwicklung in den USA.
Die städtebauliche Praxis der Anti-Sprawl-Bewegung ist aber
bislang nur sehr eingeschränkt in der Lage, dem eigenen, ambitionierten
Programm zu genügen.
Trotzdem ist der Blick in die USA lehrreich: Denn der dortigen
breiten Diskussion steht eine noch sehr bescheidene Debatte zur
Gestalt und Entwicklung der Zwischenstadt in Deutschland gegenüber.
Auch eine bundes- oder europaweite Vernetzung der mit dem Thema
befassten Akteure selbst gibt es bislang nicht, das Thema ist in
den Medien wenig präsent und ein Interesse der Öffentlichkeit
auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene existiert so gut wie
nicht.
Doch diese Zersiedelung muss gedrosselt werden, eine Forderung,
die der von der Bundesregierung eingesetzte Rat für Nachhaltige
Entwicklung propagiert. Aber selbst der gegenwärtige Zustand
der bestehenden Zwischenstadt ist keineswegs befriedigend und nachhaltig,
er muss verbessert werden.
Der Blick in die USA ist daher Bestandteil eines Forschungsverbundes,
der sich mit den gestalterischen Defiziten der Zwischenstadt auseinander
setzt: Im Jahr 2002 startete auf Initiative von Thomas Sieverts
das Ladenburger Kolleg der Gottlieb-Daimler-und der Karl-Benz-Stiftung
"Mitten am Rand - Zwischenstadt", ein breit angelegtes,
mehrjähriges Kolleg, das Wissenschaftler und Architekten zusammenbringt,
um Perspektiven für die Zwischenstadt zu entwickeln.
Prof. Dr. Harald Bodenschatz,
Dipl.-Ing. Barbara Schönig
www.zwischenstadt.net
Buchtipp
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Foto: privat |
Die
Ergebnisse des am Schinkelzentrum
der TU Berlin angesiedelten Forschungsprojekts zum Thema "Sprawl
in den USA" liegen inzwischen als Band 2 der Reihe "Zwischenstadt"
in Buchform vor: Harald Bodenschatz/Barbara Schönig:
Smart Growth - New Urbanism - Liveable Communities. Programm
und Praxis der Anti-Sprawl-Bewegung in den USA. Wuppertal
2004, ISBN 3-928766-62-7
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