Schiffe sollten "auf ihrem Hintern sitzen"
Günther Clauss über Schiffskonstruktionen, die auch
Monsterwellen überstehen
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Günther
Clauss
Foto: TU-Pressestelle |
Extremwellen gefährden auch moderne Schiffe auf den Weltmeeren,
weiß Prof. Dr.-Ing. Günther Clauss vom Institut
für Land- und Seeverkehr der TU Berlin. Im Gespräch
mit TU intern erklärt er Methoden, mit denen Folgereaktionen
auf solche "Kaventsmänner" abgemildert werden können.
Gefährden Tsunamis nicht nur Küsten, sondern auch
Schiffe im offenen Meer?
Tsunamis entstehen meist bei Seebeben in sehr großen Wassertiefen
als relativ niedrige Wellen, die aber sehr lang sind und sich mit
Geschwindigkeiten bis 750 Stundenkilometern ausbreiten. Schiffe
nehmen sie daher oft gar nicht wahr. In Ufernähe aber können
sich diese Wellen gewaltig auftürmen und zerstören ganze
Küstenregionen, wie die Flutkatastrophe in Südostasien
gezeigt hat. Japanische Fischer nannten diese gewaltigen Wellen
"Tsunami", also Hafenwelle, da sie beim nächtlichen
Fischfang nichts Außergewöhnliches bemerkt hatten, jedoch
morgens ihre Küsten zerstört fanden. In flacheren Gewässern
können Tsunamis Schiffe gefährden, kaum aber auf hoher
See mit einigen tausend Metern Wassertiefe.
Wie entstehen dann Monsterwellen auf hoher See?
Da sich lange Wellen schneller als kurze ausbreiten, können
sich durch ungünstige Überlagerung extrem hohe Wellen
bilden. Sie können erheblich höher werden, als es die
Statistik erwarten ließe. Solche extremen Wellen können
auch entstehen, wenn sich die Dünung eines längst abgeflauten
Sturms mit den frisch aufgepeitschten Wellen eines neuen Sturms
überlagert und beide Wellensysteme aus verschiedenen Richtungen
kommen. Extreme Wellen bilden sich aber unter Umständen auch,
wenn die Wellen eines Sturms gegen eine Meeresströmung auflaufen.
Das passiert zum Beispiel an der Küste des Indischen Ozeans
unmittelbar nordöstlich des Kaps der Guten Hoffnung. Dort sind
bereits einige Schiffe solchen Monsterwellen zum Opfer gefallen.
Wie hoch können solche Monsterwellen sein?
Das hängt vom Meeresgebiet ab. Für jede Region kennen
wir aus Statistiken die so genannte signifikante Wellenhöhe.
Das ist die durchschnittliche Höhe des Drittels der höchsten
Wellen. Als höchste Welle erwartet man in einem solchen Gebiet
dann Wellen mit der 1,86fachen Höhe der signifikanten Wellenhöhe.
Liegt diese bei zehn Metern, sollte der Erbauer einer Bohrplattform
diese also so bauen, dass sie 18,60 Meter hohe Wellen übersteht,
die laut Statistik mit großer Wahrscheinlichkeit einmal in
hundert Jahren auftreten können. Das wäre übrigens
bereits die Höhe eines sechsstöckigen Hauses. Entstehen
dort Monsterwellen mit 22 oder 24 Metern Höhe, würden
sie einigen Schaden anrichten. In einem anderen Meeresgebiet mit
einer signifikanten Wellenhöhe von 15 Metern würden solche
Wellenhöhen dagegen mehrmals im Jahr auftreten und die Plattform
würde mit ihnen problemlos fertig werden, da sie ja für
die dort zu erwartende Jahrhundertwelle mit fast 27,90 Metern Höhe
ausgelegt wäre.
Wie untersuchen Sie die Wirkung solcher Monsterwellen auf Schiffe?
Mit mathematischen Methoden entwickeln wir eigene Wellenmodelle.
Die Ergebnisse unserer Rechnungen überprüfen wir mit Modellen
von Schiffen oder Offshore-Plattformen im Maßstab 1:50 oder
1:80 in unserem TU-Wellenkanal, der mit 80 Metern Länge, vier
Metern Breite und zwei Metern Tiefe beachtliche Untersuchungsmöglichkeiten
liefert. Zunächst schauen wir uns an, wie verschiedene Wellen
auf einander einwirken und sich überlagern. Dann analysieren
wir, wie sich das Modell des Schiffs oder der Plattform in den Wellen
verhält. Wir glauben unseren Computermodellen erst dann, wenn
wir sie im Experiment überprüft haben.
Im offenen Ozean machen Sie keine Experimente?
Zum einen sind solche "Versuche" messtechnisch kaum durchführbar
und könnten auch nicht ausreichend reproduziert werden. Zum
anderen ist auch die Bereitschaft von Reedereien und Mannschaften,
ihr Schiff kentern zu lassen, extrem gering.
Kann man auch die Schiffe selbst kentersicherer machen?
Unsere Modelle zeigen, dass ein breiteres Heck und eine Beladung,
die den Heckbereich stärker belastet als den Bugbereich, kentersicherer
ist als herkömmliche Schiffe und Beladungen. Das Schiff sollte
also "auf seinem Hintern sitzen". Außerdem muss
die Brücke eines Schiffes so gebaut werden, dass unerwartet
hohe Wellen die Fenster dort nicht zerstören können. Wird
die Brücke nämlich geflutet, gibt es Kurzschlüsse,
die Hauptmaschine fällt aus und das Schiff kann nicht mehr
gesteuert werden.
Das Gespräch führte Roland Knauer
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