"Was wir vergessen können, war nie unser"
Orte der Erinnerung: Spurensuche nach einem großen Technikpionier
und Hochschullehrer
|
Der Grabstein der Familie
Aron auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee
Foto: Förster |
Als Hermann Aron am 29. August 1913 plötzlich starb, wurde
sein Lebenswerk als Professor, Erfinder und Unternehmer wortreich
gewürdigt. Die "Vossische Zeitung", das "Berliner
Tageblatt", die "Elektrotechnische Zeitschrift",
die "Allgemeine Zeitung des Judentums" brachten umfangreiche
Nekrologe. Alle waren sich einig, dass ein bedeutender Bürger
Berlins gestorben sei. Sein Nachruhm schien für mindestens
ein Jahrhundert gesichert. Aber wer weiß heute noch, dass
neben Professor Adolf Slaby, dem großen Elektrotechniker,
auch der junge Aron seine Forschungstätigkeit auf dem gleichen
Gebiet als Assistent an der Berliner Gewerbeakademie, einer Vorläuferin
der Technischen Hochschule, 1872 begonnen hatte?
Hermann Aron kam am 1. 10. 1845 in einem jüdischen Stedtl
der Provinz Posen zur Welt. Sein Vater, Händler und Kantor,
wollte ihn zum jüdischen Schriftgelehrten bilden. Aber vermögende
Verwandte meinten, der begabte Junge müsse studieren. So schickten
sie den Sechzehnjährigen 1862 auf das Köllnische Realgymnasium
nach Berlin, dessen Schulkonzept ein Novum war. Es verband klassische
Bildung mit moderner Naturwissenschaft. Dort erwarb Aron 1867 das
Abitur. Berlin war im Begriff, die führende Wissenschaftsstadt
Europas zu werden. Aron begann mit der Medizin, nach zwei Semestern
wechselte er aber zur Mathematik und den Naturwissenschaften. Zu
seinen Lehrern gehörten bedeutende Forscher wie der Mathematiker
Karl Weierstrass oder die Naturwissenschaftler Heinrich Wilhelm
Dove und August Wilhelm von Hofmann. Im Jahre 1870 setzte er sein
Studium an der Universität Heidelberg fort. Hier wurde Aron
von Hermann Helmholtz und Gustav Kirchhoff unterrichtet. Letzterer,
mathematischer Physiker, sollte später in Berlin der Lehrstuhlvorgänger
von Max Planck werden. Aron erhielt sein Wissen von Forschern, die
in die Anfangsgeschichte der legendären "Berliner Physik"
gehörten. Von sich selbst sagte Aron: "Ich denke und konzipiere
oft langsamer als andere, aber ich begreife nachhaltiger und gründlicher."
Nach seinem Examen kehrte er nach Berlin zurück und arbeitete
1872-73 als Assistent am physikalischen Laboratorium der Gewerbeakademie.
Experiment und Mathematisierung der Ergebnisse gehörten für
Aron zusammen. 1873 promovierte er an der Berliner Universität,
wo er sich auch drei Jahre später mit einer Arbeit über
elektrische Maßsysteme habilitierte. Als Privatdozent hielt
Aron später Lektionen zur Elektrizitätslehre und lehrte
an der Artillerie- und Ingenieurschule, einer Bildungsanstalt des
preußischen Militärs. Hier wurde Aron in ein geheimes
Rüstungsprojekt eingebunden, was ihm 1894 den Titel "Geheimer
Regierungsrat" brachte. Zeitgleich führte er energisch
seine elektrotechnischen Experimente fort. 1883 gelang ihm am Wannsee
die Erzeugung elektromagnetischer Signale ohne Draht.
In seiner Experimentierwerkstatt in Tiergarten machte er 1884 eine
folgenreiche Erfindung. Aron konstruierte den Pendel-Elektrizitätszähler,
erwarb dafür ein Patent und entwickelte seine Werkstatt rasch
zu einem internationalen Großunternehmen. Hermann Aron starb
hoch geehrt 1913. Als er auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee
seine ewige Ruhe fand, ahnte niemand, dass 22 Jahre später
die Aron-Werke - 1933 in "Heliowatt" umbenannt - 1935
von Siemens-Schuckert aufgekauft würden. Die Kinder Arons mussten
ihre Heimatstadt verlassen und überlebten in England und in
den USA.
Hans Christian Förster
"Hermann ARON (1845-1913), Forscher - Hochschullehrer
- Erfinder - Unternehmer", eine Ausstellung anlässlich
des 160. Geburtstages und seines Wirkens an den Berliner Universitäten
Humboldt-Universität zu Berlin, Foyer, bis 31. Oktober
2005
|
|
|