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Oktober 2005
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Im Maschinenraum der Macht

Volker Stanzel, deutscher Botschafter in Peking, über Wissenstransfer und Kulturaustausch

 
  Seit Herbst 2004 ist Dr. Volker Stanzel deutscher Botschafter in Peking. Der studierte Japanologe, Sinologe und Politikwissenschaftler war mehr als 20 Jahre lang weltweit im Auftrag des Auswärtigen Amtes tätig und veröffentlichte Aufsätze und Bücher insbesondere über den politischen und kulturellen Wandel der asiatischen Welt.
Foto: privat

Welche Aufgaben stehen für den neuen Botschafter als Erstes auf der Agenda?

Wir haben im Laufe der Zeit ein hohes Niveau im Austausch zwischen unseren Ländern erreicht. Dieses zu halten ist an sich schon eine besondere Aufgabe. China gewinnt immer mehr wichtige Partner auf der Welt. Das bedeutet, dass wir uns in schärferem Wettbewerb befinden. Genauso wichtig ist die Frage nach dem Stand der chinesisch-deutschen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und nach den Investitionen führender chinesischer Unternehmen in Deutschland.

Der zweite Punkt ist unsere Bereitschaft zu einem intensiven politischen Dialog mit einem Partner, der andere Wertvorstellungen, eine andere Gesellschaftsordnung und Zielvorstellungen und auch andere Vorstellungen von der politischen Weltordnung hat als wir. Hervorstechend ist Chinas Interesse für deutsche Geistesgeschichte. Karl Marx steht für ein tief verwurzeltes Interesse Chinas an der deutschen Kultur während mehrerer Jahrzehnte. Dazu gehören aber auch Goethe, Schiller, Hegel, Kant, natürlich Leibniz.

Wir müssen jetzt durch intensivere Kulturarbeit sehen, dass das, was wir früher erreicht haben, nicht verloren geht. Wir haben das Goethe-Institut hier, wir sind mit Kulturarbeit in Shanghai präsent, wir haben unseren studentischen Austausch.

Sie bezeichneten China einmal als modernen Staat im Werden. An welchen deutsch-chinesischen Problemzonen muss man unter diesem Aspekt in nächster Zeit arbeiten?

Das Land geht den Weg aus der kommunistischen Einparteienherrschaft, es bekennt sich jetzt zur sozialistischen Demokratie. Wie rasch die Entwicklung vorangeht und ob sie rasch genug vorangeht, um China zu einem verantwortungsbereiten Mitspieler auf der internationalen Bühne zu machen, wie die anderen Industriestaaten es sind - dazu kann ich jetzt noch keine Vorhersage machen.

Was heißt verantwortungsbereit?

Zum Beispiel hat China sich - seit dem 11. September 2001 - stärker in die Diskussion im Sicherheitsrat eingeschaltet. Das bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen.

Sie sprachen auch einmal von einer neuen "Elite im Maschinenraum der Macht". Welche Bedeutung hat der Wissenschaftsaustausch für die neue Elite in China?

Dieses Land wird vorangetrieben von Menschen, die nicht am Steuer sind, die aber Vorstellungen haben, wohin die Reise gehen sollte. Menschen, die die bürokratischen oder ökonomischen Maschinerien betreiben, die dieses Land voranbringen. Die Intellektuellen, die Technokraten, die Beamten, die an Universitäten im Ausland ausgebildet wurden, sie alle sind die Eliten, auf die es immer mehr ankommt. Durch den Austausch im akademischen Bereich wird diese Linie gestärkt.

Der Eindruck des freien Meinungsaustauschs in Echtzeit als Chatroom-Komunikation ist in jeder Gesellschaft so enorm, dass die Beschränkungen, die eine Führung durchsetzen will - selbst wenn sie so weit gehen wie in China -, relativ wenig bewirken.

Welchen Rat würden Sie jungen Leuten geben, die in Deutschland studieren wollen?

Nicht nur Naturwissenschaften zu lernen, sondern die Geisteswissenschaften nicht zu vergessen. Es ist auch nicht nur das Fach BWL, mit dem man etwas für seine eigene Zukunft tun kann.

Was würden Sie deutschen Studierenden in China raten?

So tief in die Sprache einzusteigen, dass man chinesischen Vorlesungen folgen kann. Wenn man das schafft, dann hat man die allergrößte Hürde überwunden.

Das Gespräch führte Dr. Barbara von der Lühe, TU-Medienwissenschaftlerin und Gastprofessorin an mehreren chinesischen Universitäten. Sie traf den Botschafter in Peking (gekürzte Fassung).

Die TU Berlin in China

Die TU Berlin unterhält vielfältige Kontakte zur Volksrepublik China. Nach intensiver Hege wurde letztes Jahr das zwanzigjährige Jubiläum des ersten Kooperationsvertrages in Peking gefeiert. Heute umfasst die Zusammenarbeit zwischen der TU Berlin und chinesischen Universitäten zahlreiche Fachgebiete, darunter Wirtschaftswissenschaften, Sprach- und Kulturwissenschaften, Elektrotechnik, Maschinenbau, Fahrzeugtechnik und Physik. 2003 konnte die TU-Informatik mit der Jiao-Tong-Universität in Shanghai das erste Doppeldiplomabkommen einer deutschen mit einer chinesischen Universität schließen. Der erste ausländische Dekan einer chinesischen Universität war ein Deutscher: TU-Professor Ulrich Steinmüller. Direktor des ersten deutsch-chinesischen Mobilfunk-Instituts in Peking wurde TU-Professor Holger Boche.

 

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