Im Maschinenraum der Macht
Volker Stanzel, deutscher Botschafter in Peking, über Wissenstransfer
und Kulturaustausch
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Seit Herbst
2004 ist Dr. Volker Stanzel deutscher Botschafter in Peking.
Der studierte Japanologe, Sinologe und Politikwissenschaftler
war mehr als 20 Jahre lang weltweit im Auftrag des Auswärtigen
Amtes tätig und veröffentlichte Aufsätze und
Bücher insbesondere über den politischen und kulturellen
Wandel der asiatischen Welt.
Foto: privat |
Welche Aufgaben stehen für den neuen Botschafter als Erstes
auf der Agenda?
Wir haben im Laufe der Zeit ein hohes Niveau im Austausch zwischen
unseren Ländern erreicht. Dieses zu halten ist an sich schon
eine besondere Aufgabe. China gewinnt immer mehr wichtige Partner
auf der Welt. Das bedeutet, dass wir uns in schärferem Wettbewerb
befinden. Genauso wichtig ist die Frage nach dem Stand der chinesisch-deutschen
wirtschaftlichen Zusammenarbeit und nach den Investitionen führender
chinesischer Unternehmen in Deutschland.
Der zweite Punkt ist unsere Bereitschaft zu einem intensiven politischen
Dialog mit einem Partner, der andere Wertvorstellungen, eine andere
Gesellschaftsordnung und Zielvorstellungen und auch andere Vorstellungen
von der politischen Weltordnung hat als wir. Hervorstechend ist
Chinas Interesse für deutsche Geistesgeschichte. Karl Marx
steht für ein tief verwurzeltes Interesse Chinas an der deutschen
Kultur während mehrerer Jahrzehnte. Dazu gehören aber
auch Goethe, Schiller, Hegel, Kant, natürlich Leibniz.
Wir müssen jetzt durch intensivere Kulturarbeit sehen, dass
das, was wir früher erreicht haben, nicht verloren geht. Wir
haben das Goethe-Institut
hier, wir sind mit Kulturarbeit in Shanghai präsent, wir haben
unseren studentischen Austausch.
Sie bezeichneten China einmal als modernen Staat im Werden.
An welchen deutsch-chinesischen Problemzonen muss man unter diesem
Aspekt in nächster Zeit arbeiten?
Das Land geht den Weg aus der kommunistischen Einparteienherrschaft,
es bekennt sich jetzt zur sozialistischen Demokratie. Wie rasch
die Entwicklung vorangeht und ob sie rasch genug vorangeht, um China
zu einem verantwortungsbereiten Mitspieler auf der internationalen
Bühne zu machen, wie die anderen Industriestaaten es sind -
dazu kann ich jetzt noch keine Vorhersage machen.
Was heißt verantwortungsbereit?
Zum Beispiel hat China sich - seit dem 11. September 2001 - stärker
in die Diskussion im Sicherheitsrat eingeschaltet. Das bedeutet
auch, Verantwortung zu übernehmen.
Sie sprachen auch einmal von einer neuen "Elite im Maschinenraum
der Macht". Welche Bedeutung hat der Wissenschaftsaustausch
für die neue Elite in China?
Dieses Land wird vorangetrieben von Menschen, die nicht am Steuer
sind, die aber Vorstellungen haben, wohin die Reise gehen sollte.
Menschen, die die bürokratischen oder ökonomischen Maschinerien
betreiben, die dieses Land voranbringen. Die Intellektuellen, die
Technokraten, die Beamten, die an Universitäten im Ausland
ausgebildet wurden, sie alle sind die Eliten, auf die es immer mehr
ankommt. Durch den Austausch im akademischen Bereich wird diese
Linie gestärkt.
Der Eindruck des freien Meinungsaustauschs in Echtzeit als Chatroom-Komunikation
ist in jeder Gesellschaft so enorm, dass die Beschränkungen,
die eine Führung durchsetzen will - selbst wenn sie so weit
gehen wie in China -, relativ wenig bewirken.
Welchen Rat würden Sie jungen Leuten geben, die in Deutschland
studieren wollen?
Nicht nur Naturwissenschaften zu lernen, sondern die Geisteswissenschaften
nicht zu vergessen. Es ist auch nicht nur das Fach BWL, mit dem
man etwas für seine eigene Zukunft tun kann.
Was würden Sie deutschen Studierenden in China raten?
So tief in die Sprache einzusteigen, dass man chinesischen Vorlesungen
folgen kann. Wenn man das schafft, dann hat man die allergrößte
Hürde überwunden.
Das Gespräch führte Dr. Barbara von der Lühe,
TU-Medienwissenschaftlerin und Gastprofessorin an mehreren chinesischen
Universitäten. Sie traf den Botschafter in Peking (gekürzte
Fassung).
Die TU Berlin in China
Die TU Berlin unterhält vielfältige Kontakte zur
Volksrepublik China. Nach intensiver Hege wurde letztes Jahr
das zwanzigjährige Jubiläum des ersten Kooperationsvertrages
in Peking gefeiert. Heute umfasst die Zusammenarbeit zwischen
der TU Berlin und chinesischen Universitäten zahlreiche
Fachgebiete, darunter Wirtschaftswissenschaften, Sprach- und
Kulturwissenschaften, Elektrotechnik, Maschinenbau, Fahrzeugtechnik
und Physik. 2003 konnte die TU-Informatik mit der Jiao-Tong-Universität
in Shanghai das erste Doppeldiplomabkommen einer deutschen
mit einer chinesischen Universität schließen. Der
erste ausländische Dekan einer chinesischen Universität
war ein Deutscher: TU-Professor Ulrich Steinmüller. Direktor
des ersten deutsch-chinesischen Mobilfunk-Instituts in Peking
wurde TU-Professor Holger Boche.
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