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Wie der Wissenschaftsrat eine "differenzierte Universität" schaffen will

 
  Prof. Dr. Peter Strohschneider ist Philologe an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Ende Januar wurde er zum neuen Vorsitzenden des Wissenschaftsrates gewählt.
© Wissenschaftsrat

Herr Professor Strohschneider, Ende Januar hat der Wissenschaftsrat sich in seinen Empfehlungen grundsätzlich mit der Rolle der Universitäten im Wissenschaftssystem beschäftigt. Danach haben die Universitäten ein sehr umfangreiches Aufgabenspektrum zu bewältigen. Nicht jede Universität kann diese im gleichen Umfang lösen. Was ist konkret mit einem differenzierten Universitätssystem gemeint?

Ein System, in dem sich Universitäten nicht nur in ihren fachlichen Profilen und in ihrem mehr oder weniger guten Ruf unterscheiden, sondern in dem sich manche von ihnen auf bestimmte Aufgaben konzentrieren und dafür geeignete Organisationsformen entwickeln. Also zum Beispiel auf anwendungsorientierte Forschung oder auf die Förderung von Nachwuchswissenschaftlern.

Gemeint ist auch - nimmt man die einzelne Universität in den Blick - eine stärkere Binnendifferenzierung. Um mit internationalen Spitzenforschungseinrichtungen konkurrieren zu können, muss es einer Universität möglich sein, sich in einigen ihrer Bereiche stark auf die Forschung zu konzentrieren. In manchen Bereichen will sie sich möglicherweise besonders für exzellente Lehre und Ausbildung, einschließlich der Weiterbildung, engagieren. Schwerpunktsetzung muss also auch innerhalb der einzelnen Universität möglich sein. Dies schließt nicht aus, dass es künftig auch Universitäten geben soll, die in der Breite der Fächer exzellente Forschung und Lehre betreiben.

Welche neuen Hochschultypen neben Universitäten und Fachhochschulen, die Absolventen für den Arbeitsmarkt ausbilden, können Sie sich vorstellen?

Neben den Technischen Universitäten, die ja schon heute ein klares Profil innerhalb des Universitätssektors haben, sind da viele Optionen denkbar: Forschungsuniversitäten, die sich im Bereich der Lehre auf die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses konzentrieren; "Professional Universities", die interdisziplinäre Forschung und Lehre auf bestimmte Berufsfelder hin organisieren; oder "Liberal Arts Colleges", die ein allgemein bildendes, grundständiges Studium mit dem Ziel späterer Spezialisierung anbieten.

Nicht mehr alle Bereiche sollten in die Nachwuchsförderung einbezogen, einige von der Lehre entbunden werden. Wie kann das in der Praxis gehen?

Mit unseren Empfehlungen wollen wir deutlich machen, dass der wissenschaftliche Nachwuchs dort qualifiziert werden soll, wo angemessene Leistungen in der Forschung erbracht werden - und unter Beteiligung derer, die angesehene Forschung betreiben. Die Heranbildung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses kann nicht nur in der individuellen Verantwortung des einzelnen Hochschullehrers liegen. Sie muss von den Universitäten als institutionelle Gestaltungsaufgabe verstanden werden.

Es geht auch nicht darum, einzelne Fakultäten oder Hochschullehrer auf Dauer von der Lehre freizustellen. Wenn wir aber wollen, dass Universitäten sich in Bereichen stärker auf die Forschung konzentrieren oder einzelne Hochschullehrer sich für eine Zeit intensiv ihren Forschungsprojekten widmen, dann müssen wir flexible Lösungen bei der Verteilung der Lehraufgaben finden. Gleichzeitig muss es den Universitäten bei einer entsprechenden Forschungsfinanzierung auch möglich sein, bedeutende Forschungsschwerpunkte aufzubauen, ohne dadurch zugleich die Lehrkapazität auszuweiten.

Wenn sich die Hochschulen vermehrt Einnahmequellen aus dem privaten Sektor erschließen müssen, um ihre Aufgaben wahrzunehmen, besteht dann nicht die Gefahr einer zu großen Einflussnahme der Wirtschaft auf die Forschung?

Da muss man natürlich eine Balance halten. Allgemein gilt aber: Je größer die Zahl der Geldgeber, desto weniger ist man von jedem einzelnen abhängig. Bis zu einem gewissen Grad kann eine Vermehrung der Einnahmen aus privaten Quellen die Autonomie sogar erhöhen, indem sie die Abhängigkeit vom Staat mindert. Wichtig ist nur, dass es eben nicht bloß einen einzigen privaten Geldgeber gibt, sondern ein gut gemischtes Portfolio. Grundsätzlich muss im Einzelnen vertraglich klar geregelt sein, welche Leistungen der Geldgeber mit seiner Finanzierung erwartet und wo die Grenzen seiner Einflussnahme liegen. An den Universitäten muss es aus meiner Sicht auch bei einer privaten Finanzierung von Forschung darum gehen, die Grundlagenforschung zu stärken. Die Vertragsgestaltung mit dem privaten Investor lässt das durchaus zu.

Wie kann man es vermeiden, dass alle Universitäten versuchen, sich auf prestigeträchtige Forschung zu konzentrieren, und die personal- und arbeitsintensive Nachwuchsbetreuung und -förderung anderen überlassen?

Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist wohl schon heute mit Prestige belegt. Problematischer ist eher die grundständige Lehre. Zwar versuchen die Länder, im Rahmen der leistungsorientierten Mittelvergabe Anreize zugunsten eines Engagements in der Lehre zu setzen, sie orientieren sich dabei aber noch zu sehr an quantitativen Indikatoren und vernachlässigen die Qualität. Der Wissenschaftsrat beschäftigt sich zurzeit damit, wie man der Qualität der Lehre größeres Gewicht verschaffen kann. Damit das Folgen hat, muss das Engagement in der Lehre für Wissenschaftler karriererelevant sein.

Die Fragen stellte Patricia Pätzold

Das Diskussionspapier im Internet:
www.wissenschaftsrat.de/texte/7067-06.pdf

 

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