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Wie die Fotosynthese wirklich funktioniert

Neue Erkenntnisse über die Sauerstoffproduktion und den Energietransfer in Pflanzen

Die Fotosynthese ist Grundlage für das Leben. Pflanzen wandeln Kohlendioxid und Wasser mit Hilfe des Sonnenlichts um in Sauerstoff und Glucose, die Grundlage der Nahrungspyramide. Dabei laufen sehr komplexe biochemische Prozesse ab.
Foto: TU-Pressestelle

Im Dezember 2005 haben TU-Wissenschaftler gemeinsam mit Projektpartnern aus der FU des Sonderforschungsbereiches (SFB 498) neue Erkenntnisse zur Fotosynthese veröffentlicht. Im Fachblatt Nature Vol. 438/15. Dezember 2005 (1040-1044) präsentierten sie die Struktur des für die Sauerstoffentwicklung zuständigen Fotosystems II in einer nie da gewesenen Auflösung (3,0 Ångström). Diese gewährt neue Einblicke in den Elektronen- und Energietransfer im Reaktionszentrum und in den Antenneneinheiten, die das Licht sammeln. Wie es zu diesem Ergebnis kam und was die neuen Strukturdaten bedeuten, erläutern Dr. Athina Zouni, die Leiterin der TU-Arbeitsgruppe vom Max-Volmer-Laboratorium für Biophysikalische Chemie, und Dr. Jan Kern, ihr engster Mitarbeiter, im Interview.

Um mal ins Detail zu gehen - was genau sind die neuen Erkenntnisse, die Sie zum Fotosystem II erschlossen haben?

Jan Kern: Das Wichtigste ist die komplette Übersicht, die wir jetzt über die Cofaktoren haben. Die Proteinstruktur an sich hatte man auch schon bei schlechteren Auflösungen gesehen, aber die genaue Anordnung der Cofaktoren war nicht bekannt, also das Auffüllen der Lücken zwischen den Proteinuntereinheiten.

Warum sind die Cofaktoren so wichtig und um was für Stoffe handelt es sich?

Jan Kern: Sie steuern die wesentlichen Prozesse des Fotosystems, sowohl das Sammeln von Licht als auch den Elektronentransfer und die Wasserspaltung. Es sind Lipide, Carotinoide, Chlorophylle, Hämgruppen und Metallionen. Erst wenn man deren Anordnung kennt, kann man verstehen, nach welchem Mechanismus das Fotosystem arbeitet.

Können Sie ein oder zwei Beispiele für Cofaktoren und deren Bedeutung nennen?

Jan Kern: Wir haben einerseits einige neue Carotinoide entdeckt und andererseits haben wir durch das Füllen fast aller Lücken bemerkt, dass ein Bereich offen geblieben ist, in dem kein Cofaktor sitzt. Dies führte uns zu der Erkenntnis, dass an dieser Stelle ein Kanal entsteht für einen mobilen Cofaktor, ein Chinon. Dieses ist beweglich und diffundiert von der Membran ins Fotosystem hinein. Dort nimmt es Elektronen auf und diffundiert zurück in die Membran. Diesen Kanal hat vorher noch niemand gesehen, deshalb ist dieses Ergebnis auch besonders spektakulär.

Athina Zouni: Ein anderes Beispiel sind die Lipide. Diese hatte man bislang gar nicht als Cofaktoren angesehen. Erst in den letzten zwei bis drei Jahren ist entdeckt worden, auch an anderen Proteinstrukturen, dass sie eine so wichtige Rolle in Membranproteinen spielen. Hier im Fotosystem II sind nun besonders viele Lipidmoleküle vorhanden. Wir vermuten, dass sie wesentlich zur Flexibilität des Systems beitragen, denn es gibt eine zentrale Untereinheit, die besonders häufig auf- und abgebaut wird. Und diese Untereinheit enthält besonders viele Lipide.

Athina Zouni und Jan Kern vom Max-Volmer-Laboratorium
Foto: TU-Pressestelle

Die Fotosynthese ist ein Prozess, den man in der Schule lernt. Sie gilt als gut untersuchtes System. Wann ist Ihnen zum ersten Mal klar geworden, dass sie ein interessantes Forschungsobjekt ist, an dem man noch viel machen kann?

Athina Zouni: Als ich mich 1995 an der Technischen Universität Berlin beworben habe. Ich habe ein paar Artikel gelesen und fand das Thema unglaublich spannend. Mir war gar nicht bewusst, dass der Mechanismus, der hinter der einfachen Formel steckt (Wasser plus Kohlendioxid und Lichtenergie ergibt Sauerstoff und Glucose), nicht geklärt ist, dass es so viele offene Fragestellungen gibt. Ich habe das Thema daraufhin als große Herausforderung betrachtet. Besonders günstig waren die Voraussetzungen hier an der TU, da bereits Dr. Fromme (Prof. H. T. Witt als Projektleiter) am Fotosystem I arbeitete.

Wie sind Sie vorgegangen, was waren die ersten Aufgaben?

Athina Zouni: Wir haben zunächst Cyanobakterien gezüchtet und anschließend das Fotosyntheseprotein aus der Membran herausgelöst. Bis wir es kristallisieren und Strukturuntersuchungen durchführen konnten, sind Jahre vergangen. Die Schritte der Reinigung, Isolierung und begleitende Analysen waren fundamentale Arbeiten, die wir hier an der TU durchgeführt haben. Die Kristallographie, also die Auswertung der Daten aus der Röntgenstrukturanalyse, haben dann unsere Kooperationspartner an der FU gemacht.

Wie drückt sich die jetzt erreichte Auflösung aus, in der die Struktur nun dargestellt werden kann?

Jan Kern: Man kann sich das so vorstellen, dass ein Raster über die Molekülstruktur gelegt wird. Je dichter die Punkte sind, umso genauer sieht man die Feinheiten des Moleküls.

Das Fotosystem II ist einer der beiden Proteinkomplexe, in denen die Lichtreaktionen der Fotosynthese in Pflanzen stattfinden. Es ist zuständig für die Entwicklung des Sauerstoffs – im Bild unten die Struktur des dimeren Fotosystems II bei einer Auflösung von 3.0 Ångström, das entspricht ungefähr einer Breite von einem 10-millionstel Millimeter. Erstmalig erlaubt diese Struktur detaillierte Einblicke in die Funktionsweise des Sauerstoff entwickelnden Proteinkomplexes. Die Struktur setzt sich aus vielen Mosaiksteinchen in Form von Proteinen zusammen. Diese Protein-Untereinheiten sind in verschiedenen Farben dargestellt. Jede Einheit hat ihre Aufgabe, etwa das Sammeln des Lichtes oder die Wasserspaltung. Nur im Zusammenspiel dieser Einheiten funktioniert die Fotosynthese.
Foto: Max-Volmer-Laboratorium

Können Sie rekapitulieren, wann Sie das erste Mal ein richtiges Aha-Erlebnis hatten?

Athina Zouni: Ja, als ich die ersten dunkelgrünen Kristalle (1997) unter dem Mikroskop sah. Diese hatten damals eine Auflösung von elf Ångström, welch eine Sensation. Außerdem haben wir im Frühjahr 2000 erstmals die Elektronendichte im Molekülsystem gesichtet. Das Strukturbild von Fotosystem II mit der Auflösung von damals 3,8 Ångström war ein großes und aufregendes Erlebnis und stellte einen entscheidenden Durchbruch in der Fotosyntheseforschung dar (Publikation in Nature 2001, Zouni et al.).

Jan Kern: Mit dem jetzigen Bild bei 3 Ångström konnten wir nun unmittelbar sehen, wie sich die Lücken schließen und nach und nach die Cofaktoren, also Lipide, Carotinoide usw. sichtbar werden. Das war großartig.

Von 1995, dem Beginn der Arbeit, bis 2000, als Sie das erste Bild sahen, ist ein langer Zeitraum. Gab es während dieser Zeit Einbahnstraßen, die sich als nicht gangbar herausgestellt haben?

Athina Zouni: Es gab nicht nur Einbahnstraßen, sondern auch Momente, in denen die Verzweiflung überhand nahm und ein Abbruch der Arbeit vorstellbar wurde. Mit den Frustrationen umzugehen lernt man nur mit der Zeit.

Woher haben Sie in solchen Phasen den Optimismus genommen, dass es weitergeht?

Athina Zouni: Aus der Faszination, die das Thema bietet, und dem Wissen, Neuland zu betreten, wobei wir uns gegenseitig motivieren.

Jan Kern: Wichtig ist auch die konstruktive und interessante Zusammenarbeit mit den Kristallographen der FU. Beide Gruppen sind ein eingeschworenes Team, fast schon untrennbar voneinander zu sehen. Insgesamt lässt sich sagen, dass ohne die Kooperation im gesamten SFB 498 derartige außergewöhnliche Ergebnisse nicht zustande gekommen wären.

Ist das Forschungsprojekt jetzt beendet?

Athina Zouni: Die Auflösungsschärfe von 3 Ångström war schon eine ziemliche Schallmauer, aber mindestens 2,8 Ångström wollen wir noch erreichen. In diesem Bereich etwa liegen die Bindungsabstände in dem Mangancluster, die wir jetzt noch nicht sehen. Unser SFB wurde noch mal für vier Jahre verlängert. Das gibt uns die Chance, dieses ultimative Ziel zu erreichen.

Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ina Helms.

 

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