Globalisierung der Wissenschaft
Was Deutschland noch tun muss - Ideen aus der Alexander von
Humboldt-Stiftung
Die Globalisierung hat für Deutschland nicht nur mehr Möglichkeiten
zur internationalen Kooperation gebracht, sondern uns auch eine
neue Konkurrenz beschert. Die Wirtschaft reagiert mit einer Außenwirtschaftspolitik.
Dr. Georg Schütte, Generalsekretär der Alexander
von Humboldt-Stiftung in Bonn, plädiert adäquat für
die Etablierung einer Außenwissenschaftspolitik.
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Georg Schütte,
Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung in
Bonn
© Alexander von Humboldt-Stiftung |
Herr Schütte, was verstehen Sie unter einer "Außenwissenschaftspolitik"?
Eine Außenwissenschaftspolitik würde die Internationalisierungsstrategien
der vielen staatlichen und nicht-staatlichen Akteure der deutschen
Wissenschaft berücksichtigen. Sie würde diese Strategien
mithilfe der Fachressorts - für die Wissenschaft und für
die auswärtigen Beziehungen - in eine kohärente Strategie
der internationalen Interessenvertretung überführen.
Warum halten Sie das für notwendig?
Wenn Deutschland die Globalisierungsprozesse mitgestalten will,
dann müssen die Strukturen der Politikgestaltung diesen globalen
Prozessen angepasst werden. Als rohstoffarmes Land ist Deutschland
auf eine zukunftsorientierte, nachhaltige Gestaltung der internationalen
Wissenschaftsbeziehungen angewiesen.
Welche Art von Internationalisierung ist Ihrer Ansicht nach
an deutschen Universitäten wirklich zukunftsweisend? An einigen
Universitäten gibt es Überlegungen, bestimmte Studiengänge
beziehungsweise Lehrveranstaltungen, auch im grundständigen
Studium, generell nur noch auf Englisch anzubieten. Schließt
man hier nicht möglicherweise einen Teil der inländischen
Studierenden aus - Altsprachler oder junge Leute, die Französisch
oder Russisch in der Schule gelernt haben?
Nur die Formen der Internationalisierung werden erfolgreich sein,
die aus den Stärken einer Hochschule erwachsen und von den
Angehörigen dieser Hochschulen aus Überzeugung getragen
und mit Engagement gelebt werden. Eine Sprachenpolitik, die ausschließlich
auf Englisch setzt, vernachlässigt die sprachliche Vielfalt
Europas. Gerade in den Geistes- und Sozialwissenschaften müssen
wir die Bedeutung unterschiedlicher Sprachen als Instrument der
Erkenntnis und der Ergebnisvermittlung ernst nehmen.
Wie können die Universitäten selbst aktiv werden,
oder versprechen zentral gesteuerte Maßnahmen mehr Erfolg?
Die Initiative muss aus den fachlich und organisatorisch qualifiziertesten
Einheiten kommen. Bottom-up-Prozesse sind in der Wissenschaft fast
immer erfolgreicher als Top-down-Ansätze. Die Länder und
der Bund sollten die Rahmenbedingungen gestalten.
Wie kann man der Wissenschaft in der Entwicklungszusammenarbeit
mehr internationales Gewicht verleihen?
Traditionell setzt Entwicklungszusammenarbeit auf zwei Instrumente:
die technische und die finanzielle Zusammenarbeit. In modernen Wissensgesellschaften
muss die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit ergänzend
hinzukommen. Nur wenn in Entwicklungsländern auch funktionierende
Wissenschafts- und Bildungssysteme entstehen, kann der Teufelskreis
aus Armut, Hunger, Krankheit und Missmanagement durchbrochen werden.
Gibt es Strukturen, auf die man aufsetzen kann, oder welche
Strukturen müssten neu geschaffen werden?
Eine deutsche Außenwissenschaftspolitik kann an die Tradition
der auswärtigen Kultur-und-Bildungs-Politik anknüpfen,
die Vertrauen und Kooperation in den Mittelpunkt der internationalen
Politikgestaltung stellt. Strukturelle Ansätze für eine
Außenwissenschaftspolitik gibt es seit langem: So entsendet
das deutsche Forschungsministerium wissenschaftliche Referenten
an ausgewählte deutsche Botschaften im Ausland. Diese Referate
an den deutschen Botschaften gilt es zu stärken und enger mit
den Wirtschafts- und Kulturreferaten zu verbinden. Laufbahnen innerhalb
der Bundesressorts könnten flexibilisiert werden, um einen
stärkeren wechselseitigen Austausch zu ermöglichen. Im
Auswärtigen Amt könnte ein außenwissenschaftspolitischer
Strategiekreis das Ministerium beraten.
Wissenschaft und Wirtschaft kooperieren heute, ebenso wie universitäre
und außeruniversitäre Forschung Schnittstellen aufweisen.
Ist auch eine enge Zusammenarbeit mit der Außenwirtschaft
gewünscht oder kann sie eher hinderlich sein?
Die "Außenwirtschaft" gibt es meines Erachtens
nicht. Es gibt eine Vielzahl international operierender Unternehmen.
Deren Interessen zu berücksichtigen halte ich für sehr
wichtig. Schließlich bilden die Hochschulen auch die Techniker,
Ingenieure, Kommunikationsspezialisten und Managerinnen von morgen
aus.
Vielen Dank für das Gespräch!
Patricia Pätzold
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