Katrina ist überall
Stadtplaner diskutieren über die "gerechte Stadt"
Amerikanische Ideen zu einer gerechten Stadt? Was soziale Gerechtigkeit
betrifft, so ist die Bilanz der letzten Jahrzehnte vernichtend.
Insbesondere in den US-Städten herrschen katastrophale Zustände
von Armut und Elend. Aber nicht nur dort, auch in Berlin und anderswo
vergrößert sich die Kluft zwischen Arm und Reich. Können
und sollen Stadtpolitiker und Stadtplaner dem entgegenwirken? Darüber
diskutierten deutsche und US-Wissenschaftler auf der zweiteiligen
Konferenz "Just City - Was ist eine gerechte Stadt?",
die im Januar und Mai am Center
for Metropolitan Studies (CMS)/Transatlantisches Graduiertenkolleg
an der TU Berlin von Oliver Schmidt und Florian Urban organisiert
wurde.
In den 60er-Jahren sei, so Susan Fainstein von der New Yorker Columbia
University, die Idee einer sozial gerechten Stadt bereits einmal
tragisch gescheitert. Die Folgen der wissenschaftlich begründeten
Vision: Kahlschlagsanierung, Betonburgen, Stadtautobahnen, Urban
Renewal, Public Housing. Heute denke man daher klein und konzentriere
stadtplanerische Aktivitäten nur auf einzelne städtische
Gruppen: Stärkung der ethnischen Gruppen in den USA, Bürgerbeteiligung
in Deutschland. Doch die ungerechte Stadt blieb. Dagegen fordert
Fainstein, dass "Gerechtigkeit" nicht unbedingt Gleichheit
für alle, sondern nur die möglichst hohe Chance für
jeden sei, seine Fähigkeiten auszuleben. Eine sozial polarisierte
Stadt würde ärmeren Menschen versagen, ihre individuellen
Fähigkeiten zu entwickeln.
In einer zutiefst ungerechten Gesellschaftsordnung sei nun aber
keine gerechte Stadt denkbar, so Peter Marcuse, ebenfalls von der
Columbia University. Auch europäische Städte seien sozial
ungerecht, so Robert Beauregard von der New York University, da
ihre relativ gerechten Lebensumstände oft auf Ungerechtigkeiten
anderswo gründeten. So wurden die reichen nordeuropäischen
Länder bereits als "Villenvororte der Welt" bezeichnet.
In Deutschland, so die Kritik der Politikwissenschaftlerin Margit
Mayer aus Berlin, werde zum Beispiel viel über Migranten gesprochen,
aber wenig mit ihnen. New Orleans sei im Übrigen ein Paradebeispiel
für die Unzulänglichkeit der amerikanischen Gesellschaftsordnung,
wie die Ereignisse um den Wirbelsturm Katrina gezeigt hätten
- doch "Katrina is everywhere", war man sich einig. Die
neue Definition von Gerechtigkeit könne in Amerika wie in Europa
ein Leitbild für eine bessere Stadt bieten. Doch planerisch
eine gerechte Stadt zu schaffen sei ohne Veränderung der gesellschaftlichen
Strukturen nicht wirklich möglich. Das Center for Metropolitan
Studies an der TU Berlin, gegründet 2005, arbeitet mit mehreren
amerikanischen Universitäten zusammen und fördert den
transatlantischen Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern.
tui
|
|