Opa blitzt und Oma funkelt
Ethische und wissenschaftliche Aspekte von Tod, modernen Bestattungsformen
und Körperspende
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Arnold Böcklin
(18271901), Selbstbildnis mit fiedelndem Tod (1872)
© Alte Nationalgalerie Berlin |
Menschen aus wohlhabenden Ländern ohne Kriege und Naturkatastrophen
weisen heute oft eine besondere Wissenslücke auf: Sie sahen
noch nie einen Menschen sterben oder als Leichnam. Der Tod ist ein
eigentlich alltägliches, aber bei uns gerne verdrängtes
Thema.
Viele, meist kulturspezifische Rituale ranken sich um den toten
Menschen: bei Aufbahrung, Bestattung, Einbalsamierung oder gänzlicher
Vernichtung seiner materiellen Hülle. Mit der Technik haben
sich auch die Zeichen, die als sichere Kriterien und als Nachweise
des Todes gelten, gewandelt. Weitere Zeichen, die den Tod begleiten,
nützen dem Menschen für Erkenntnisse. So zum Beispiel
der Befall von Insekten, der dem Gerichtsmediziner Aufschluss über
den Zeitpunkt des Todes eines Menschen geben kann. Wichtiger und
unverzichtbarer Nutzen kommt dem toten menschlichen Körper
in der Unfallforschung oder in der Anatomielehre zu.
All diese Aspekte und viele mehr versammelt der neu erschienene
Band "Der tote Mensch als Zeichen" der seit 1979 an der
Arbeitsstelle für Semiotik der TU Berlin erscheinenden und
von Prof. Roland Posner herausgegebenen Zeitschrift für Semiotik.
Die Herausgeberin des neuen Bandes, Prof. Dr. Dagmar Schmauks, bietet
einleitend eine Typologie der vielfältigen Perspektiven an,
unter denen ein Leichnam als Zeichenkomplex betrachtet werden kann.
Neben jahrhunderte- und jahrtausendealten Ritualen um Leben und
Tod ist durch die fortschreitenden Möglichkeiten, Körperteile
durch künstliche zu ersetzen, auch eine neue Definition von
Leben getreten, bis hin zur theoretischen Möglichkeit der Unsterblichkeit
von gänzlich künstlichen "Cyborgs".
Als Gastautor analysiert der Neurochirurg Dag Moskopp die semiotischen
Aspekte der modernen Todesfeststellung, deren ethische und anthropologische
Fragen. Der Rechtsmediziner Rainer Mattern betont den Stellenwert
menschlicher Leichen für die Forschung zu Sicherheitseinrichtungen
und diskutiert die ethische Dimension von Versuchen mit Leichen.
Der Kriminalbiologe Mark Benecke gibt Beispiele, wie aus Art und
Menge der vorhandenen Insekten bei fremdverschuldetem Tod die Leichenliegezeit,
der Todesort und damit auch Alibis eingegrenzt werden können.
"Opa blitzt und Oma funkelt" - zwei Essays der Semiotikerin
Dagmar Schmauks über allerneueste Bestattungsformen wie Weltraumbestattung
(Verglühen in der Atmosphäre) oder sogenannte "Lebensjuwelen"
(Diamantherstellung aus der Asche) sowie ein offener Brief einer
noch lebenden Körperspenderin für medizinische Zwecke,
Veranstaltungshinweise und Termine runden das Themenheft ab.
dagmar.schmauks@tu-berlin.de
Der
tote Mensch als Zeichen, herausgegeben von Dagmar Schmauks,
Bd. 27 der Zeitschrift für Semiotik, Stauffenberg Verlag,
Tübingen 2006, ISSN 0170-6241 |
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