Die geplante und die gewachsene Stadt
Orte der Erinnerung: Felix Genzmer und die Rehabilitierung des
Stadtgrundrisses
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Das Ehrengrab Felix Genzmers
auf dem Dahlemer Friedhof
© Förster |
Er war einer der Stararchitekten des Wilhelminischen Berlin.
Neben Ernst von Ihne, der das Kaiser-Friedrich-, heute Bode-Museum
und die Staatsbibliothek entwarf, gehörte Felix Genzmer zu
den bevorzugten Baumeistern Wilhelms II. Und er hatte eine Professur
an der Königlichen Technischen Hochschule zu Berlin. Aus Anlass
seines 150. Geburtstages am 22. November soll an eine seiner originären
Leistungen für Berlin erinnert werden.
Felix Genzmer modernisierte das Innere des Schauspielhauses am
Gendarmenmarkt und hob es auf das neueste technische Niveau.
Er wollte auch ein neues kaiserliches Opernhaus vis-à-vis
vom Reichstag entwerfen, doch das blieb nur Idee. Stattdessen erweiterte
er die dort befindliche legendäre Kroll-Oper, die allerdings
- nach dem Reichstagsbrand von Adolf Hitler als "Ersatzparlament"
genutzt - mit dem Dritten Reich in Schutt und Asche versank.
Genzmer wurde 1856 im pommerschen Labes als Sohn eines Juristen
geboren. Sein Architekturstudium absolvierte er an den Technischen
Hochschulen von Hannover und Stuttgart. Seine frühen praktischen
Lehrjahre erlebte er ab 1880 in Elsass-Lothringen bei Eisenbahnbauten.
Seit 1887 wirkte er nacheinander als Stadtbaumeister in Köln,
Hagen und Wiesbaden. Er errichtete Schulen und sammelte erste Erfahrungen
bei der modernen Stadtbebauungsplanung. 1902 erregte er mit seinem
Erweiterungsbau des Wiesbadener Hoftheaters erstmals Aufsehen. Sein
dekorativ-ornamentaler Stil traf den kaiserlichen Geschmack. Konnte
er sein Vorbild, Eduard Jacobsthal (1839-1902), den preußischen
Landesbaumeister, TH-Professor und Akademiemitglied, überbieten?
Schon im nächsten Jahr erhielt er den Rekonstruktionsauftrag
für das Königliche Schauspielhaus und eine Professur für
Städtebau an der TH Berlin. Fast gleichzeitig entstand in der
Hauptstadt eine Reformbewegung von Fachleuten, meist Architekten,
die sich Sorgen um die Entwicklung von Stadt und Region machten.
Während Großstädte wie Wien, London und Paris Konzepte
der Stadtentwicklung entwarfen, verlief dieser Prozess im sonst
so ordnungsverliebten Berlin noch völlig anarchisch. Zu jener
Initiativgruppe gehörten unter anderen Theodor Goecke, Albert
Hofmann, Redakteur bei der "Deutschen Bauzeitung" und
Professor Felix Genzmer. In diesem Sinne gründete er mit dem
Tiefbauingenieur und Professor Joseph Brix (1859 bis 1943) im Wintersemester
1907/08 an der TH ein "Städtebauliches Seminar",
es war das erste seiner Art. Damit wurden sie Pioniere des modernen
Städtebaus und vollzogen den Paradigmenwechsel von einer rein
ästhetisch-künstlerischen Betrachtungsweise hin zu einer
auch sozialen, wirtschaftlichen und hygienischen. Genzmer lehrte,
dass die "Stadt" als einheitliches "Bauwerk"
anzusehen sei, bei dem alle Teile ihrer Bestimmung gemäß
mit äußerster Zweckmäßigkeit und Schönheit
anzulegen seien. Dabei gebe der Stadtgrundriss auf einen Blick Aufschluss
über Wesen, Entstehung und Entwicklung. Bereits im Altertum
fand er zwei Modelle von Stadtanlagen: die geplante und die gewachsene
Stadt. Diese Erkenntnisse ließ er in seinen Entwurf der Gartenstadt
Berlin-Frohnau einfließen. Genzmer war auch Präsident
der 1924 gegründeten Studiengesellschaft für den Automobilstraßenbau,
die - lange vor den Nazis - die Grundlagen für den Autobahnbau
legte. Obwohl einige seiner Pläne unausgeführt blieben,
wurde Felix Genzmer vielfach geehrt und mehrfach ausgezeichnet.
Er starb am 6. August 1929 in seinem, von ihm selbst entworfenen
Dahlemer Haus. Sein Grab, ein Berliner Ehrengrab, befindet sich
auf dem landeseigenen Friedhof in Berlin-Dahlem.
Hans Christian Förster
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