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November 2006
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Tropfen auf den heißen Stein?

Vor der Zustimmung zum Hochschulpakt 2020 hat Berlin noch Forderungen

Gedränge bei der Immatrikulation: ein alltägliches Bild in deutschen Universitäten. Der Hochschulpakt 2020 soll Abhilfe schaffen
© TU-Pressestelle

"Aufgrund der steigenden Studienplatznachfrage ist die Erweiterung des Lehrangebots und der Ausbau der Forschungsförderung an den Hochschulen eine nationale Aufgabe", erklärte Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Auf diese Prämisse hatte sie sich mit den Wissenschaftsministern der Länder geeinigt, als es bei mehreren Treffen im Herbst um die Grundlinien des geplanten Hochschulpaktes 2020 ging.

Diese Mitteilung hatte insofern Brisanz für die Länder, weil damit klargestellt wurde, dass der Bund in dieser Situation gewillt ist, den Ländern finanziell unter die Arme zu greifen. Auch konkrete Zahlen wurden bereits genannt: Man rechne mit zusätzlichen 90000 Studienanfängern bis zum Jahr 2010, wobei für jeden zusätzliche Kosten von 22000 Euro über vier Jahre zugrunde gelegt wurden. Das sind fast zwei Milliarden Euro, wovon der Bund die Hälfte tragen will.

Bei der Forschungsförderung für die Hochschulen bietet der Bund eine Programmkostenpauschale an, sogenannte Overheadkosten. Hier handelt es sich um ein zusätzliches Plus von 20 Prozent für Projekte, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert werden. Ab 2007 würde dies für Sonderforschungsbereiche, Forschungszentren und Graduiertenkollegs gelten, ab 2008 für sämtliche Neubewilligungen der DFG.

Ein Wermutstropfen ist allerdings dabei: Die Pläne für Kapazitätsausbau und Forschungsförderung übersteigen den derzeitigen mittelfristigen Finanzplan des BMBF um rund 260 Millionen Euro. Darüber verhandelt die Bundesbildungsministerin derzeit mit dem Finanzministerium. Eine Einigung über die Beteiligung der Länder soll bis Ende November gefunden werden.

Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), warnte dagegen davor, den Kapazitätsausbau bei Studienplätzen mit der Forschungsförderung zu vermengen. Allein für die erwartete Spitze des Studierendenandrangs im Jahr 2013 hat die HRK einen Mehrbedarf von 3,4 Milliarden Euro errechnet. "Wir brauchen ein entschlossenes Handeln, keinen Tropfen auf den heißen Stein", sagte Wintermantel. "Deutschland hat einen Studierendenanteil von 37 Prozent, eine Absolventenquote von 20,6 Prozent. Gegenüber dem OECD-Mittel von 53 beziehungsweise 34,8 Prozent sind wir nach wie vor deutlich im Hintertreffen."

Schwierig könnte die Hochschulpakt-Einigung auch mit Berlin werden. Die rot-roten Koalitionäre haben nämlich beschlossen, sich am Hochschulpakt 2020 nur unter bestimmten Bedingungen zu beteiligen. Berlin möchte als zusätzliche Finanzleistung anerkannt bekommen, dass es Studierende weit über den eigenen Bedarf hinaus ausbildet. Mehr als die Hälfte aller Studierenden an den Berliner Hochschulen kommen aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland. Das will Berlin der Forderung entgegenhalten, dass die Bundesländer neue Studienplätze schaffen müssen, um an das Geld vom Bund zu kommen. Andere Bundesländer haben bereits Maßnahmen angekündigt. Nordrhein-Westfalen will zum Beispiel bis 2010 rund 20000 neue Plätze schaffen und dafür rund 125 Millionen Euro bereitstellen. Den Ostdeutschen Ländern wurde ein Sonderbonus von 83 Millionen Euro zugesagt - um den Studienplatzabbau zu vermeiden. Der Hochschulpakt kommt nur zustande, wenn alle Länder zustimmen.

Falls das Geld vom Bund kommt, will die neue alte Berliner Koalition Studienplätze vor allem an Fachhochschulen schaffen. Für die Unis hat sie sich etwas Neues ausgedacht: von Unternehmen gesponserte oder finanzierte Kollegs für ausgewählte Studierende, die dort zusätzliche Kurse belegen können, um schneller ins Berufsleben beziehungsweise in die Forschung einsteigen zu können.

pp

Drohender Kollaps

Im Jahr 2020 werden die deutschen Hochschulen fast 4000 Professorenstellen mehr brauchen als im Jahr 2004, allein um das derzeitige Betreuungsverhältnis von 1:60 im Bundesdurchschnitt zu halten. Das hat die Zeitschrift Forschung & Lehre errechnet. Im Jahre 2014 seien es sogar, wegen der Schulzeitverkürzung, mehr als 8000 Stellen. Seit Ende der Siebzigerjahre habe die Zahl des Lehrpersonals ohnehin nicht mehr mit der wachsenden Zahl der Studierenden Schritt halten können. Mit einer Vielzahl schlecht bezahlter Dozentenstellen ohne Perspektive, wie es die mögliche Personalkategorie der "Lecturer" darstelle, sei niemandem gedient, so Dr. Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes. Den Hochschulen drohe der Kollaps.

tui

Wissenschaftssystem stärken

Lange Studienzeiten, zu späte Selbstständigkeit, starke Hierarchien, das unflexible Beschäftigungssystem und ungenügende Internationalisierung der Universitäten lähmten das System der wissenschaftlichen Karrieren in unserem Land, kritisieren die Wissenschaftler in Deutschland. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei verbesserungsbedürftig. Anfang Oktober legte deshalb das Bundesbildungsministerium einen Gesetzesentwurf vor, nach dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Ablauf der Zwölf-Jahres-Frist so lange weiterarbeiten dürfen, wie sie Drittmittel einwerben. Zudem enthält der Entwurf die Möglichkeit, die zulässige Befristungsdauer für die Betreuung eines Kindes um zwei Jahre zu verlängern.

tui

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