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Gegen den Strom schwimmen

Helmut Schwarz wird Ehrendoktor in Innsbruck und warnt vor "Verfachhochschulung" der Universitäten

 
  Der Ehrendoktor einmal anders: Helmut Schwarz, gesehen und gemalt von A. Heisig
© privat

Zu seinen vielen hohen wissenschaftlichen Preisen und Auszeichnungen kam am 24. Juni 2006 für TU-Professor Dr. Drs. h. c. Helmut Schwarz ein weiterer Ehrendoktor: Die altehrwürdige, seit 1669 bestehende Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck verlieh ihm die hohe Auszeichnung für seine Verdienste um die Lösung schwieriger Problemstellungen in der organometallischen Chemie. In Innsbruck selbst hatte er 1996 eine Erwin-Schrödinger-Gastprofessur inne.

Aber warum nur, so fragte Helmut Schwarz in seiner Dankesrede, zeichnet eine Universität heute immer noch Individuen aus und nicht, dem Zeitgeist folgend, Netzwerke, Teams, Koordinatoren? Selbst Goethe habe doch sein Werk als das eines Kollektivwesens bezeichnet. Der Geehrte gab die Antwort selbst: "Machen wir uns nichts vor: Ohne einen Goethe gäbe es nicht den ‚Faust', keine ‚Wahlverwandtschaften', keines seiner unvergleichlich schönen Gedichte. Ohne Watson und Crick existierte jene nur zwei Seiten kurze Nature-Veröffentlichung nicht, die die Biologie des vergangenen Jahrhunderts revolutioniert hat und die zur Ikone der Lebenswissenschaften geworden ist." Es seien eben doch immer Individuen, die die entscheidende Idee gehabt hätten und dann nach Laotses Maxime handelten, dass "wer zur Quelle gelangen will, gegen den Strom schwimmen muss". In diesem Zusammenhang verfolge er die Wissenschafts- und besonders die Universitätsszene mit Sorge. Zumindest in Deutschland befänden sich die Unis derzeit in einem Prozess der Verschlankung, der einem falsch verstandenen Spannungsfeld zwischen Humboldt'schem Ideal und unreflektiertem McKinsey-Denken entspränge und der in einen gefährlichen Irrweg zu einer "Verfachhochschulung" münde. Helmut Schwarz zitierte Max Planck, "dass dem Anwenden das Erkennen vorausgehen muss". Die heutige übertriebene Ökonomisierung, die oftmals Projekten mit knappen Zeitskalen und potenziellem Vermarktungserfolg per se den Vorzug gäbe, greife wie eine ansteckende Krankheit um sich, anstatt an Kants Prinzip festzuhalten, dass "Nützlichkeit zunächst nur ein Moment von zweitem Range ist". Die enge Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft sei gut, doch wenn bereits bei der Forschungsskizzierung die Verwertungsfrage im Vordergrund stünde, dann drohe der Universität ein Kollateralschaden. Hinter den großen Entdeckungen stehe nach wie vor meistens die Leidenschaft einzelner Personen, die für ihre Sache brennen, die oft einer Spur folgten, an deren Route es noch keine Wegweiser gibt, die zum Gipfel weisen. Helmut Schwarz schloss mit einem flammenden Appell aus Sicht eines Wissenschaftlers, den ebendiese Leidenschaft auch zu den Erkenntnissen führten, die sein Werk ausmachen: "Den Humusboden zu bereiten, dass das scheinbar Nutzlose auf ihm gedeihen möge, oder Schneisen ins Unbekannte zu schlagen, dies sollte immer noch zu den Kernaufgaben einer forschungsgeleiteten Universität gehören."

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