Anmerkungen zum Positionspapier der sieben TU-Professoren - Von Karl-Hermann Hübler
Betroffen bin ich indes, wenn ich von der Macht- und Einflußlosigkeit der Professoren lese und die Schuld zumeist bei den anderen gesucht werden, die guten alten Zeiten beschworen (und zugleich diese Beschwörung dementiert wird) und die Unvernunft der Studenten beklagt wird.
BEMÜHUNGEN ZUR SELBSTBEDIENUNG
Die "extreme Politisierung" wird als eine wichtige Ursache der derzeitigen TU-Krise identifiziert. Meinen langjährigen Beobachtungen zufolge sind damit indes keine hochschulpolitischen Auseinandersetzungen gemeint, sondern die eher laienspielerhaften und wenig professionellen Versuche und Bemühungen der genannten zwei Gruppen (oder sind es vier oder fünf Gruppen?) zur Selbstbedienung. Bestimmte Gruppierungen in dieser Universität nennen die Bemühungen zur Erhaltung in vielen Jahren gewachsener (und jetzt überholter) Strukturen und gigantischer Disparitäten in der Ausstattung und Aufgabenerfüllung, die alle Hochschulentwicklungspläne (HEP) und Strukturreformen unbeschadet überstanden haben, Politik.
Pseudorationale und -demokratische Entscheidungsverfahren wie z. B. HEP III, wo über die grundsätzlichen Annahmen der Aufteilung der Studienplätze auf Fächergruppen "der Segen" vorab insgeheim verteilt wird und die nachfolgenden Diskussionen allenfalls noch Fliegenbeinzählerei sind, zeigen die Raffinesse der Strategie dieser Strukturkonservierung auf.
KEINE NACHHALTIGEN KONSEQUENZEN
Die Hauptschwäche der derzeitigen TU-Strukturen und Entscheidungsverfahren sind nicht die in dem Positionspapier der sieben Professoren in den Punkten 1 bis 11 genannten Sachverhalte, sondern die Tatsache, daß die in den Entscheidungsgremien der Universität Mitwirkenden im nachhinein, also wenn die Wahlperiode beendet ist, keine "nachhaltige" Verantwortung für ihr Tun tragen. Selbst bei den unsinnigsten Anträgen haben die Antragsteller beim Vollzug oder beim Scheitern im Regelfall persönliche Konsequenzen nicht zu ziehen: und das gilt für alle Gremien und auch für alle Gruppen, auch für Professoren auf beiden Seiten des Akademischen Senats! Auch wegen dieser mangelnden Verpflichtung ist eben diese sogenannte Politik in der Universität nicht zu vergleichen mit anderen Politikbereichen, wo die Politiker zu haften haben (in welcher Form auch immer).
Die Haushaltslage des Landes Berlin - und die anderer öffentlicher Körperschaften - wird für die Universitäten Reformen oder Einschnitte an "Haupt und Gliedern" zur Folge haben: auch deshalb, weil sich fast alle für die Universität relevanten Rahmenbedingungen in Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur, in der internationalen und der geografischen Situation geändert haben. Diese Einschnitte werden für die TU Berlin weiter scheibchenweise nach der Rasenmähermethode erfolgen, ohne daß die Universität von sich aus in der Lage ist, fachlich-inhaltliche und zukunftsweisende Schwerpunkte und zeitliche Prioritäten zu nennen und über Posterioritäten zu entscheiden.
Ich denke, auch deshalb sind die zwölf Problembereiche, die in dem Positionspapier genannt sind, eher Folgewirkungen der Strukturkonservierung der TU Berlin als isoliert zu betrachtende und zu lösende und in die eigenverantwortliche Zukunftsgestaltung weisende Probleme.
SECHS BEDEUTENDERE PROBLEME
Mir fallen aus dem Stand sechs Probleme dieser Universität ein, deren finale Diskussion für die mittelfristige Entwicklung der Universität bedeutsamer erscheinen als die zwölf Punkte in dem Positionspapier:
Nur aus Platzgründen verzichte ich, die Liste dieser zentralen Fragen noch zu verlängern. Sie in einem angemessenen Zeitrahmen bis zu Ende zu diskutieren und über sie zu entscheiden, könnte einen Großteil der nachrangigen Probleme lösen helfen, die in dem Positionspapier der sieben Kollegen beschrieben wurde. Zugleich könnte diese inhaltliche Diskussion dazu beitragen, die in der Tat vorhandenen anachronistischen Fraktionsbildungen "auszutrocknen". Unabhängig davon sollte man auf die Drohung mit dem Staatskommissar, wie im letzten Satz des Positionspapiers angedeutet, verzichten; er könnte auch nur das ausführen, was ihm andere einflüstern. Wer indes die einzelnen bewährten Repräsentanten der TU Berlin sein sollen, bleibt rätselhaft. Hoffentlich nicht die Gestrigen!
Prof. Dr. Karl-Hermann Hübler, Fachbereich 7 Umwelt und Gesellschaft, bis 1995 Vorsitzender der Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs (FNK)