AKTUELLES

Krach um eine Ausstellung

Oder: Wie weit geht das politische Mandat des AStA?

In den letzten Tagen ist es zu einem handfesten Konflikt zwischen dem Präsidenten und dem Allgemeinen Studierendenausschuß (AStA) gekommen. Auslösendes Moment war der Wunsch des AStA, im Lichthof der TU Berlin eine Ausstellung mit dem Titel: "Soldaten sind Mörder: Kriegsverbrechen der Wehrmacht in Jugoslawien 1941-1944" zu zeigen. Bei dieser Ausstellung handelt es sich nicht um die vom Hamburger Institut für Sozialforschung konzipierte Ausstellung zur Rolle der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, sondern um eine Ausstellung, die von der Redaktion des Jugoslawien-Bulletins und der Bunten-Hilfe Heidelberg realisiert und an verschiedenen Orten in Deutschland bereits gezeigt wurde.

Der Präsident hat aus prinzipiellen Erwägungen heraus, die weiter unten wiedergegeben werden, dem AStA Räume in der TU Berlin für die Ausstellung verweigert.

Trotz des Verbots hatte der AStA die Ausstellung aufgebaut. Auf der Sitzung des Akademischen Senats (AS) am 7. Mai wurde einem Dringlichkeitsantrag des AStA zur Ausstellung nicht stattgegeben. Der AStA konnte nämlich keine Antwort auf die Frage geben, wie er mit der Ausstellung zu verfahren gedenke, wenn der AS mit Mehrheit die Maßnahmen des Präsidenten billigen würde. Mit dieser Position erschien vielen Mitgliedern im AS eine Dringlichkeit der Diskussion nicht gegeben. Auf der nächsten Sitzung des AS am 28. Mai soll über die AStA-Vorlage grundsätzlich diskutiert werden. Bis dahin wird die Ausstellung im Lichthof geduldet. Gezeigt werden sollte sie vom 7. Mai bis einschließlich Samstag, dem 10. Mai; allerdings wurde sie am Freitagabend vom AStA bereits abgebaut und war am Samstag nicht mehr zu sehen.

Die Liberale Mitte und die Unabhängigen Hochschullehrer im Akademischen Senat haben zu dem Verhalten des AStA eine Erklärung abgegeben; sie ist Teil einer TU-Medieninformation und im WWW zu lesen ( http://archiv.pressestelle.tu-berlin.de/pi/1997/pi101.htm ). Weitere Pressemitteilungen zum Thema, Statements des AStA, soweit sie der Pressestelle vorliegen, und die bisherige Presseresonanz sind in der Pressestelle einzusehen.

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Worum also geht es in dem Konflikt?
TU-Präsident Hans-Jürgen Ewers erklärte dazu in einer schriftlichen Stellungnahme:

"(...) Es geht hier weder um eine politische Auseinandersetzung mit den Taten der Wehrmacht, noch um einen Streit über die Frage, ob der AStA ein allgemein-politisches Mandat habe. Es geht vielmehr um die rechtlichen Grenzen des allgemein-politischen Mandats, das dem AStA im Berliner Hochschulgesetz zweifelsfrei eingeräumt wird. Diese Grenzen erwachsen nach Gesetz und ständiger Rechtsprechung aus dem Umstand, daß Studierende an den Berliner Universitäten Zwangsmitglieder der verfaßten Studierendenschaft sein müssen und mit Zwangsbeiträgen von derzeit 12 DM pro Kopf und Semester an der TU Berlin die Tätigkeit der Organe der Studierendenschaft finanzieren müssen. (Bei derzeit mehr als 30000 eingeschriebenen Studierenden an der TU Berlin läuft das auf ein Jahresbudget von mehr als 700000 DM hinaus.). Deshalb unterliegt der AStA bei seiner allgemein-politischen Bildungsarbeit einem Neutralitätsgebot, mit anderen Worten, er darf bei seinen amtlichen Äußerungen keine politischen Wertungen vertreten. Die TU-Leitung, die die Rechtsaufsicht über das Gebaren des AStA hat, ist verpflichtet, Überschreitungen dieses Neutralitätsgebots zu verhindern. Nur darum geht es bei dieser Auseinandersetzung (...).

Im speziellen Fall dieser Ausstellung war die Lage noch komplizierter, insofern die TU-Leitung auf der Basis der ihr vom AStA zur Verfügung gestellten Informationen befürchten mußte, daß nicht nur die Studierenden, sondern die gesamte Universität vom AStA im Sinne eigener politischer Bewertungen in Anspruch genommen werden würde. Denn die Ausstellung sollte nicht nur an dem prominentesten Ort, den die TU Berlin hat (dem Lichthof im Hauptgebäude), sondern auch noch unter der Generalüberschrift "Antimilitaristische Woche an der TU Berlin" durchgeführt werden. In Verbindung mit dem geplanten Ausstellungstitel ("Soldaten sind Mörder:...)" sprach der prima facie Anschein dafür, daß der AStA hier die Grenzen seines politischen Mandats überschritt. Folgerichtig verlangte die TU-Leitung mehr Informationen: Nach Lage der Dinge schien eine Entscheidung ohne Kenntnis der gesamten Exponate unmöglich. Dies wurde vom AStA als "politische Zensur" verweigert. (...)

Der AStA hat der TU-Leitung in den vergangenen Jahren in einer Kette von Rechtsbrüchen unter Beweis gestellt, daß er das in ihn gesetzte Vertrauen der TU-Leitung nicht verdient. Er hat sich bei einer Reihe von Veranstaltungen zum Vehikel gewalttätiger Organisationen, wie etwa der (verbotenen) PKK, gemacht, deren Aktivisten offen und ohne jeden Widerspruch für ihre Ziele werben durften. (...) Er hat schriftlich zugesagte Kostenübernahmen nicht erfüllt, so daß die TU-Leitung diese Kosten nun gerichtlich beitreiben muß. (...)

(...) der zentrale Punkt, um den es bei dieser Auseinandersetzung geht, (ist) nämlich der Umgang dieses AStA mit dem Recht. Wer sich ständig das Recht nimmt, seine Absichten gegebenenfalls auch widerrechtlich durchzusetzen, hat das Recht auf eine demokratische Diskussion verwirkt.

Dies ist eine Angelegenheit, die die Universität als Ganzes in ihren Grundfesten berührt. Deshalb mutet die TU-Leitung den Universitätsangehörigen und der Öffentlichkeit das Ärgernis des Rechtsbruchs durch den AStA zu, indem sie ihn duldet. Nur wenn die Mehrheit der Universitätsmitglieder, insbesondere der zentralen Universitätsgremien, die TU-Leitung in dieser Frage nicht allein läßt und die permanenten Rechtsbrecher ausgrenzt, ist die Basis für eine produktive Lösung der seit Jahren bestehenden Auseinandersetzung mit dem AStA gegeben. Die TU-Leitung einfach auffordern, sich mit dem AStA an einen Tisch zu setzen, reicht nicht aus. (...).

PS: Die Studierenden können ihre Meinung bei den jetzt anstehenden Wahlen zum Studierendenparlament (13. bis 19. Juni) artikulieren."


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