Neu berufener TU-Professor Dr.-Ing. Markus Hecht setzt auf kegelförmige Räder
Die Bahn muß attraktiver werden, wenn sie im Wettbewerb der Verkehrsmittel bestehen will. Das weiß auch Dr.-Ing. Markus Hecht, der am 1. Juni 1997 die fast drei Jahre lang verwaiste Professur für das Fachgebiet Schienenfahrzeuge an der TU Berlin übernommen hat.
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Foto: Frank Peters |
Bereits während seiner achtjährigen Tätigkeit bei der schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik AG (SLM) hat sich Markus Hecht intensiv mit Lärmquellen bei Schienenfahrzeugen beschäftigt. Zu seinen Aufgaben zählte die Lärmauslegung der Lok 2000 als leiseste Hochleistungslok der Welt. Er war auch an der Entwicklung eines selbständig in die Kurven lenkenden Fahrwerks beteiligt, das sowohl das Kurvenquietschen verringert als auch den Verschleiß der Räder auf etwa ein Drittel reduziert.
Die Weiterentwicklung und Erprobung von Fahrwerken wird dementsprechend ein Schwerpunkt der Forschungsaktivitäten von Prof. Hecht sein. Ein Drehgestell für Stadtverkehrs-Schienenfahrzeuge mit radial einstellbaren Radsätzen wird zur Zeit in Zusammenarbeit mit Firmen wie Adtranz und Siemens für die Metro im kolumbianischen Medellín untersucht. Dank kegelförmiger Radprofile (siehe Foto) haben starr mit einer Radsatzwelle verbundene Räder die Fähigkeit, sich selbst in die Kurven zu lenken. Die Lagerung der Radsätze muß dies nur zulassen.
Ein anderes Forschungsthema ist die Optimierung der Fahrgastsicherheit beim Aufprall von Schienenfahrzeugen. Durch eine sichere Gestaltung der Fahrgastinnenräume soll das Verletzungsrisiko verringert werden, ohne daß das besondere Merkmal des Schienenverkehrs - die freie Bewegungsmöglichkeit der Fahrgäste im Zug - eingeschränkt wird. Partner sind nicht nur die Bahnunternehmen und die Industrie, sondern auch Behörden wie das Umweltbundesamt oder das Eisenbahnbundesamt.
Für die Zukunft der Bahn und speziell seines Fachgebiets ist Prof. Hecht optimistisch. "Die neue Struktur der Eisenbahn in Deutschland kommt dem Ziel eines attraktiven Schienenverkehrs entgegen. Durch die Aufspaltung der Deutschen Bahn in vier Unternehmensbereiche und die Privatisierung des Nahver-kehrs sind günstige Zukunftsvoraussetzungen gegeben: Zahlreiche neue Bahnunternehmen mit sehr spezifischen Bedürfnissen benötigen zum einen gut qualifiziertes technisches Personal, zum anderen muß die Industrie auf die Forderungen reagieren, indem sie anspruchsvolle und kostengünstige Lösungen, insbesondere Schienenfahrzeuge entwickelt und liefert. Diese Lösungen müssen von fähigen Ingenieuren entwickelt werden".
Früher versuchte man durch einheitliche Ausführungen in großem Maßstab kostengünstig Schienenverkehr anzubieten. Diese Einheitlichkeit, z.B. große Stückzahlen gleicher Wagentypen, geht aber an den individuellen Bedürfnissen der Kunden vorbei. Die Akzeptanz des Verkehrsmittels schwand. Darum müssen die Anbieter heute die individuellen Kundenwünsche berücksichtigen. Da der Kunde jedoch nicht bereit ist, dafür einen höheren Preis zu bezahlen, zwingt dies die Industrie und damit die Ingenieure, besonders kreativ und innovativ zu sein. Dazu ist Know How gefragt, das teilweise bereits existiert und in den Lehrveranstaltungen des Fachgebiets Schienenfahrzeuge vermittelt wird, teilweise jedoch erst in der Industrie oder auch an der TU entwickelt werden muß.
Gerade hier sieht Markus Hecht eine bessere Chance für längerfristige Forschungsvorhaben an Hochschulen durch die größere Unabhängigkeit von kurzfristigen Unternehmenszielen. Vor allem durch die Zusammenarbeit mit motivierten Mitarbeitern und Studierenden möchte er dem Schienenverkehr an der TU Berlin zu neuer Blüte verhelfen. Die Zusammenarbeit mit Studierenden ist dabei für Markus Hecht ein besonderes Anliegen. Nicht nur über Studien- und Diplomarbeiten werden sie einbezogen, sondern auch durch konkrete Mitarbeit in großen und kleinen Projekten als studentische Hilfskräfte. Außerdem läuft bereits die Vermittlung von Praktikumsplätzen für Studenten und die Vermittlung von Arbeitsplätzen in der Schienenfahrzeugindustrie für Absolventenen.
Dr.-Ing. Markus Hecht, geboren am 28. Oktober 1957 in Konstanz, studierte von 1976 bis 1978 Maschinenwesen an der Universität Stuttgart und von 1978 bis 1982 Maschinenwesen mit der Fachrichtung Verkehrstechnik an der RWTH Aachen. 1988 promovierte er an der TH Aachen zum Thema "Gleisuntersuchung aus fahrzeug- und oberbautechnischer Sicht, Entwicklung eines universellen dynamischen Meßverfahrens". Anschließend war er bis 1997 zunächst als Entwicklungsingenieur, dann als Leiter Meßtechnik und stellvertretender Leiter Engineering und Entwicklung tätig. Zum 1. Juni 1997 übernahm er an der TU Berlin den gut drei Jahre lang verwaisten Lehrstuhl für das Fachgebiet Schienenverkehr. Er tritt damit die Nachfolge von Prof. Dr.-Ing. Helmut Bugarcic an, der die 1975 eingerichtete Professur unter der Bezeichnung "spurgebundene Fahrzeuge" bis 1994 innehatte.
Christian Hohlfeld