Prof. G. Wolfgang Heinze und ein ehemaliger TU-Doktorand Prof. Heinrich H. Kill veröffentlichen gemeinsames Buch "Freizeit und Mobilität. Neue Lösungen für den Freizeitverkehr."
Der Tourismus schafft neue Arbeitsplätze in Stadt und Land. Doch was einerseits die Wirtschaft belebt, kann andererseits die Natur gefährden oder sogar zerstören. Verkehrspolitisch betrachtet ist der Tourismus eine Gratwanderung zwischen der leichten Erreichbarkeit eines Freizeitraumes und der Erhaltung seiner Attraktivität. Gerade weil die Freizeit- und Tourismusindustrie von einer sauberen und intakten Umwelt lebt, muß sie an einer zukunftsfähigen Verkehrsabwicklung interessiert sein. Wenn Massennachfrage die Natur gefährdet, dann sind verkehrstechnisch neue Ideen und Lösungen gefragt.
Solche neuen Lösungen bieten G. Wolfgang Heinze und Heinrich H. Kill in ihrem soeben erschienenen Buch "Freizeit und Mobilität. Neue Lösungen für den Freizeitverkehr". Die Botschaft des Buches lautet, Freizeitverkehr vor allem als Entwicklungschance zu begreifen.
Es wird eine neue Strategie für Deutschland präsentiert, denn nach Meinung der Autoren geht der Markttrend in Richtung "Freizeitverkehr statt Tourismus". Weil dies zur neuen globalen Arbeitsteilung gehört, sollte eher auf regionale Stärken, Tages- und Wochenendtourismus sowie Zweit- und Dritturlaube gesetzt werden, anstatt gegen Fern- und Mehrfachurlaube zu kämpfen. Also auf etwas, was schon kurzfristig trägt, aber ausbaufähig ist und dessen Ansprüche überlebte Verkehrssysteme erneuern.
Fünf Elemente heben die Autoren hier besonders hervor: die Rückkehr räumlicher Nähe, ein neues Bewußtsein gemeinschaftlich erlebter Freizeit, bewegungsorientierte Aktivitäten, neue Eliten als Bezugsgruppen und ein entschärfter Verkehr.
Die Leitidee der Autoren für die nahe Zukunft umfasst vor allem:
In sog. Checklisten zeigen die Autoren, wie groß die Vielfalt von Lösungsansätzen bereits in der Gegenwart ist. Nur drei Beispiele von vielen sollen hier genannt werden: eine flächendeckende Kleinbusbedienung mit Taxiqualität und zu ÖPNV-Preisen, des weiteren überregional erhältliche 3-Wochen-Tickets für eine Urlaubsregion, die für alle öffentlichen Verkehrssysteme, Bergbahnen, Schiffahrtslinien und die wichtigsten Ausflugsziele in ihr gelten und letztendlich Pauschalangebote im Reisebüro für Kombitouren mit Fahrrad und Kanus/Kajak mit Gepäckservice und Fahrradhotels.
Das Buch ist in 60 Thesen gegliedert. Die Autoren meinen, daß jede Lösung bereits irgendwo angelegt sei, denn die Wirklichkeit, das wahre Leben, habe viel mehr Phantasie als der beste Planer.
So bringen die Autoren zahlreiche Ergebnisse der Verkehrsforschung in ihre Untersuchungen ein. Sie betonen immer wieder: "Was für den Freizeitverkehr gut ist, eignet sich auch für die anderen Bereiche des modernen Verkehrs". Es wird gezeigt, wie sich Erneuerungen im Freizeitverkehr durchsetzen und welche Auswirkungen dies für eine strategische Tourismuspolitik hat. Autofahrer werden mit Überraschung feststellen, daß sich öffentliche Verkehrsmittel immer stärker an den Qualitäten des "privaten Pkw" als Meßlatte orientieren, um wieder attraktiv für den Freizeitverkehr zu werden.
Dieses neue Sachbuch macht all denen Mut, die in der Gegenwart nicht nur hohe Lohnkosten und den Niedergang der öffentlichen Verkehrsmittel beklagen, sondern die auch unkonventionelle Ideen begrüßen, Experimente begünstigen und vorhandene Anbieter partnerschaftlich einbinden möchten.
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Der 1940 geborene Prof. Dr. rer. pol. G. Wolfgang Heinze studierte Volkswirtschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg (Schwerpunkt Verkehrspolitik). Nach der Promotion mit einer Arbeit zur Verkehrspolitik für Entwicklungsländer war er sieben Jahre im Bereich Verkehrs- und Raumplanung im In- und Ausland tätig. 1974 nahm er den Ruf auf die fachübergreifende Professur für Verkehrswirtschaft und Verkehrspolitik am damaligen Fachbereich Verkehrswesen (heute Verkehrswesen und Angewandte Mechanik) der TU Berlin an. Er war Gastprofessor in Cambridge (England) und Kabul (Afghanistan) und ist u.a. Ordentliches Mitglied der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hannover) und Vorsitzender der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft Foto: privat (Berlin-Brandenburg). |
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Der 1952 geborene Prof. Dr.-Ing. Heinrich H. Kill war bis 1979 als "Kapitän auf Großer Fahrt" im Schiffsliniendienst der "D.D.G. Hansa" Bremen tätig. Nach einem Studium an der TU Berlin (Planung und Betrieb im Verkehrswesen) wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Verkehrswirtschaft und Verkehrspolitik der TU Berlin. Dort promovierte er mit einer Arbeit über Erfolgsbedingungen neuer Verkehrssysteme. 1993 erhielt er dafür die höchste verkehrswissenschaftliche Auszeichnung in Deutschland, den Carl-Pirath-Preis der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft. Seit 1994 ist er Gründungsdekan und Professor für Verkehrssystemgestaltung des Fachbereichs Verkehrs- und Transportwesen an der Fachhochschule Erfurt. |
Carina Baganz