Prof. Dr. Christoph van Wüllen, neuberufen am Institut für Organische Chemie der TU Berlin
Im Juli dieses Jahres wurde der Privatdozent Dr. Christoph van Wüllen zum Universitätsprofessor der TU Berlin für das Fachgebiet "Angewandte Quantenchemie und Computerchemie" im Fachbereich 5 Chemie ernannt.
Prof. van Wüllen wurde 1963 in Ahaus, Westfalen, geboren und studierte von 1983 bis 1988 Chemie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Seine Diplomarbeit wurde von Prof. Dr. Martin Klessinger betreut, der ein besonderes Interesse an organischen Molekülen in angeregten Zuständen hatte. Gegenstand seiner Diplomarbeit war die Erstellung eines Programmes zur Berechnung von Schwingungsspektren solcher Systeme. Rechenverfahren dieser Art werden zur theoretischen Modellierung photochemischer Reaktionen benötigt. Am Institut für Theoretische Chemie der Ruhr-Universität Bochum promovierte er als Schüler von Prof. Dr. Werner Kutzelnigg. Besonders bekannt ist Prof. Kutzelnigg für eine neue Methode zur Berechnung der Position der Signale, die man in Kernresonanz-Spektren erhält. Die Auswertung dieser Signale ist eine der wichtigsten Methoden zur Aufklärung von Molekülstrukturen, und Rechnungen können hier in schwierigen Fällen weiterhelfen. In seiner Doktorarbeit erweiterte Prof. van Wüllen die Anwendbarkeit dieses Rechenverfahrens auf Moleküle wie z. B. Biradikale, deren Elektronenstruktur man mit mehr als einer Elektronenkonfiguration beschreiben muss. So konnte das Kernresonanz-Spektrum des Ozons zum ersten Mal zufriedenstellend berechnet werden.
Nach der Promotion wandte sich Prof. van Wüllen der theoretischen Behandlung von Übergangsmetallverbindungen zu. Auf diesem Gebiet sind Dichtefunktionalverfahren besonders konkurrenzfähig. Sind aber schwere Übergangsmetallatome vorhanden, tritt ein neues Problem auf: In schweren Atomen bewegen sich die Elektronen so schnell, dass sich die Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit bemerkbar macht. Die Quantenmechanik ohne Berücksichtigung von Einsteins spezieller Relativitätstheorie führt zu Resultaten, die nicht im Einklang mit experimentellen Befunden stehen. Diese Diskrepanzen bezeichnet man oft als "relativistische Effekte". Prof. van Wüllen entwickelte und testete neue Verfahren, in denen die notwendigen relativistischen Korrekturen eingebaut sind. Mit solchen Werkzeugen kann man sich dann sogar daran wagen, chemische Eigenschaften "superschwerer Elemente" (Trans-Actinide) vorherzusagen. Es handelt sich dabei um Elemente, von denen bislang oft nur wenige Atome mit kurzer Lebensdauer künstlich hergestellt werden konnten. Die Untersuchung von Verbindungen sehr schwerer Elemente ist aber nicht nur für die wissenschaftliche Theorie relevant. Das Verständnis der Chemie solcher Elemente ist von großer Bedeutung bei der Entsorgung von Kernbrennstoffen, und die experimentellen Untersuchungsmöglichkeiten sind aus naheliegenden Gründen beschränkt.
Zu den an der TU Berlin geplanten Forschungsaktivitäten von Prof. van Wüllen gehören neben der Weiterentwicklung quantenmechanischer Rechenverfahren die Untersuchung von chemischen Reaktionen an Übergangsmetalloxid-Aggregaten sowie die Modellierung metallorganischer Reaktionen. Bereits bestehende Forschungsprojekte an der TU Berlin werden Prof. van Wüllen zweifellos interessante Anknüpfungspunkte bieten können.