Medieninformation Nr. 291 vom 28. November 2006 - Bearbeiter/in: pp |
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Promotionskolleg der TU Berlin zur Mikro-Finanzierung der Stromversorgung
Die Energieversorgung mit Kerosin oder Batterien kostet die Ärmsten in Bangladesh rund 1,50 Euro pro Kilowattstunde. Für viele Menschen unerschwinglich. Die Versorgung mit Hilfe des Solarstroms kostet dagegen nur rund 50 Cent pro Kilowattstunde. Im Frühjahr 2004 veröffentlichte das MicroEnergyTeam, eine Gruppe von TU-Wissenschaftlern aus Energie- und Verfahrenstechnikern, eine Studie über Grameen-Shakti, ein Tochter-Unternehmen der Grameen-Bank des neuen Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus, das mit Mikrokrediten Solarenergiesysteme bei der armen Bevölkerung auf dem Land vertreibt. Die jungen Wissenschaftler machten sich alsbald selbstständig. Aus dem Projekt ist inzwischen ein Promotionskolleg an der TU Berlin geworden.
Das Kolleg soll die technischen, ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Konstellationen und die Möglichkeiten praktischer Umsetzung von Mikro-Energie-Systemen in strukturschwachen Regionen untersuchen. Dabei sind sowohl Entwicklungsländer im Blick als auch Regionen in Industrieländern, die einem Verarmungsprozess ausgesetzt sind. In Entwicklungsländern ist der Mikroenergie-Sektor gekennzeichnet durch Haushalte und Gewerbe mit kleinem bis sehr kleinem Energiebedarf, die großteils von den typischen Infrastrukturen der Energieversorgung abgeschnitten sind und in denen ein hoher Bedarf an regional angepassten Systemen zur Energieversorgung besteht. In europäischen Armuts-Regionen ist der Energiebedarf um Größenordnungen höher, aber die Frage dezentraler Versorgung durch Erneuerbare Energien und deren möglicher Unabhängigkeit von den Energiekonzernen stellt sich zunehmend.
Typisch für den Mikroenergie-Sektor sind absolut und relativ hohe laufende Kosten für die Deckung des häuslichen und kleingewerblichen Energiebedarfs und eine hohe Umwelt-Belastung z.B. durch Verbrennen von Holz, Diesel oder Kerosin. Diese Kosten steigen derzeit stark mit den Ölpreisen und entwickeln sich somit zunehmend zu einem bedeutenden Armutsfaktor. In Mikroenergie-Sektoren gibt es ein hohes Substitutionspotenzial, wenn geeignete Technologien und Finanzierungsmodelle für Haushalte und Kleingewerbe entwickelt werden. Um den Zugang zu erneuerbaren Energietechnologien entscheidend zu verbessern, müssen also zum einen technologisch hoch qualitative und dauerhaft zuverlässig funktionierende Systeme verfügbar werden, die möglichst nicht oder nur wenig auf fossile Brennstoffe angewiesen sind, wie beispielsweise Solar Home Systems. Zum anderen gibt es einen hohen Bedarf an nachhaltigen Implementierungsstrategien, die über zeitlich begrenzte Projekte hinaus hochwertige Energiedienstleistungen in den Regionen garantieren.
Das Konzept des Kollegs basiert auf der von Prof. Yunus entwickelten Idee der Mikrofinanzierung, die durch seine Grameen-Bank in die Praxis umgesetzt wurde. Prof. Yunus und die Bank wurden mit dem Friedensnobelpreis 2006 ausgezeichnet. Die Grameen-Tochter "Grameen Shakti" in Bangladesh wendet diese Idee auf die Energieversorgung in Armutsgebieten an. Ihr Konzept wurde von zwei Studierenden der Energie- und Verfahrenstechnik der Fakultät III der TU von August 2002 bis Februar 2003 in Bangladesch analysiert und in zwei Diplomarbeiten weiterentwickelt. Inzwischen hat sich daraus das "Micro-Energy-Team" gebildet, das auch den Kern der Promovenden im Kolleg stellen wird. Das Team arbeitet gleichzeitig als Unternehmen "Micro-Energy International" mit Ländern wie Senegal oder Mali zusammen.
Auf Initiative von Dr. Wolfgang Neef (ZEK) und Dr. Susanne Schön vom TU-Zentrum Technik und Gesellschaft (ZTG), bewilligte die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung der TU Berlin acht Promotions-Stipendien mit einer maximalen Laufzeit von drei Jahren.
Mit seinem inter- und transdisziplinären Ansatz überwindet das Promotionskolleg die Grenzen der jeweiligen Fachgebiete. Forschung über interdisziplinäres, innovatives Arbeiten wird dabei für ein Promotionsstipendium selbst zum Thema (betreut u. a. durch Dr. Susanne Schön, ZTG). Das Kolleg bezieht auch regionale und lokale Wissens- und Entscheidungsträger in die Forschungsarbeit ein. So soll es auch beitragen zur Erschließung neuer regional-ökonomischer Tätigkeitsfelder für potenzielle Gründer und Unternehmer.
Das Kolleg wird von den Fachgebieten Energietechnik und Umweltschutz (Prof. Dr.-Ing. Georgios Tsatsaronis),
Montagetechnik und Fabrikbetrieb (Prof. Günter Seliger),
Landschaftsplanung und Umweltverträglichkeitsprüfung (Prof. Dr. Johann Köppel,
2. TU-Vizepräsident und Sprecher des Kollegs), Regionale sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung (Prof. Dr. Martina Schäfer) sowie
Konstruktionstechnik und
Entwicklungsmethodik (Prof. Dr.-Ing. Luciënne Blessing) getragen und kooperiert mit der
FU Berlin und Universität Magdeburg. Das Kolleg wird begleitet von einem Lehr- und Studienprogramm mit starkem Schwerpunkt auf
"soft skills" und unternehmerisch-praktischen Fähigkeiten, organisiert von Dr. Monika Rummler von der
ZEK-Weiterbildung.