Kapitel 2 - Leistungsstand in Lehre und Studium
2.5. Studienreform und Weiterentwicklung des LehrangebotsStudienreform ist eine ständige Aufgabe der Hochschulen (§ 8 BerlHG), die von den Fachbereichen verantwortlich wahrgenommen und umgesetzt werden muß (§ 69 Abs. 1 BerlHG). Ziel aller Studienreformbemühungen ist eine hochrangige Qualität der Lehre, so daß Form und Inhalt des Studiums wettbewerbsfähige berufsqualifizierende Abschlüsse und eine leistungsorientierte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ermöglichen. Die Anforderungen an die Studieninhalte und die Studiendauer sind dabei von Fach zu Fach verschieden, jedoch müssen sich alle Studienreformmaßnahmen gleichermaßen an den festgesetzten Regelstudienzeiten und an den sich verändernden Erwartungen des Arbeitsmarktes orientieren. Dazu gehört auch die Berücksichtigung der sich ständig verkürzenden Halbwertszeit des vermittelten Wissens bei zunehmender fachübergreifender Komplexität und die steigende Tendenz zur Internationalisierung der beruflichen Einsatzfelder. Um diesen Rahmenbedingungen in Lehre und Studium gerecht zu werden, müssen sich die Studien- und Prüfungsordnungen für die universitäre Erstausbildung auf die Vermittlung von Grundlagenwissen beschränken und dabei insbesondere die Methodenkenntnisse vertiefen. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit, in der Ausbildung vergrößerte Freiräume für die Vermittlung außerfachlicher und sprachlicher Zusatzqualifikationen zu schaffen. Das derzeit vorhandene Lehrangebot der TU Berlin mit insgesamt 37 Diplom- und 31 Magisterstudiengängen wurde zum überwiegenden Teil Anfang der 70er Jahre eingerichtet und in den Folgejahren weiterentwickelt. Entscheidend für die Zukunft ist es, daß die mehr oder weniger gegeneinander abgeschotteten Studiengänge und Studienrichtungen zugunsten gemeinsamer Grundqualifikationen mit Vertiefungsmöglichkeiten verändert werden. Hierfür eignet sich insbesondere eine modulare Studienorganisation, über deren Möglichkeiten in der Universität schon mehrfach diskutiert wurde. Eine Realisierung scheiterte aber bisher am Verteilungssystem der Hochschulentwicklungspläne, das die Ausstattung der Fachbereiche an den Lehrbedarf für eigene Studien- und Prüfungsordnungen knüpft. Dieser Mechanismus wirkt auch der Öffnung der Studiengänge für fachfremde Lehrangebote entgegen und behindert somit die Vermittlung einer weitergefaßten Ausbildungsqualifikation im Sinne des Anspruchs einer "Bildung durch Wissenschaft". Die Strukturdebatten anläßlich der Sparauflagen des Berliner Senats haben diese Problemlage insbesondere mit Blick auf die spezifischen Aufgaben der Geistes- und Sozialwissenschaften verdeutlicht. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich auch bei der Öffnung traditioneller Studiengänge gegenüber neuen Richtungen in der Forschung. Beispielsweise ist es erst Mitte 1996 gelungen, den Forschungsschwerpunkt Mikrosystemtechnik angemessen im Studiengang Elektrotechnik zu verankern. Die forschungspolitischen Entscheidungen zur Entwicklung eines Schwerpunktes Logistik, Verkehrs- und Strukturpolitik im Fachbereich Wirtschaft und Management konnten bisher noch nicht in den Studienrichtungen der Studiengänge Wirtschaftsingenieurwesen, Volkswirtschaft, Verkehrswesen sowie Stadt- und Regionalplanung berücksichtigt werden. Ein positives Beispiel für eine forschungsorientierte Studiengangsausrichtung ist der Studiengang Geoingenieurwissenschaften und Angewandte Geowissenschaften, der an die Stelle einiger auslaufender Studiengänge getreten ist und zum Wintersemester 1994/95 neu eingerichtet wurde. Er orientiert sich an aktuellen geospezifischen Problemstellungen, die sich in den Bereichen Umwelt, Rohstoff- und Energieversorgung, Wasserversorgung, Reststoffbehandlung und Materialentwicklung ergeben. Im Vordergrund standen in den vergangenen Jahren die Weiterentwicklungen von Studien- und Prüfungsordnungen im Zusammenhang mit geänderten gesetzlichen Vorschriften. Insbesondere mußten die Studien- und Prüfungsordnungen an die 1993/94 beschlossenen neuen Regelungen des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) angepaßt werden, die im einzelnen den Nachweis der Studierbarkeit in der Regelstudienzeit, die besondere Prüfungsberatung, die grundsätzlich nur einmalige Wiederholbarkeit von Abschlußprüfungen und den Freiversuch bei Fachprüfungen innerhalb der Regelstudienzeit betreffen. Im Rahmen des Rückmeldeverfahrens für das Wintersemester 1995/96 kam die gesetzliche Bestimmung hinsichtlich der besonderen Prüfungsberatung erstmalig zur Anwendung. In diesem Zusammenhang wurden im Juni 1995 rund 2.000 Studierende und zum Sommersemester 1996 knapp 8.000 Studierende zu Beratungsgesprächen eingeladen. 2.244 Studierende folgten zum Sommersemester 1996 der Aufforderung zur Teilnahme an der besonderen Prüfungsberatung nicht; 606 wurden auf Antrag exmatrikuliert, 1.638 von Amts wegen exmatrikuliert. Die Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten der Berliner Hochschulen (LKRP) hat am Ende des vergangenen Jahres die "Einheitlichen Grundsätze für die Immatrikulation von Studierenden, Nebenhörern und Gasthörern sowie für die Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen" beschlossen. Ziel ist es u.a., daß Studierende des Magisterstudiums in den einzelnen Fächern an verschiedenen Berliner Hochschulen studieren und Prüfungen ablegen können. Dafür wurde eine Änderung der "Ordnung der Technischen Universität Berlin über Rechte und Pflichten der Studentinnen und Studenten" (OTU) erforderlich. Mit Beschluß vom 14. Juni / 15. November 1995 ist der Akademische Senat der Anregung der LKRP gefolgt und änderte die OTU. Zum Wintersemester 1995/96 wurde in den Studiengängen Psychologie, Mathematik und Wirtschaftsingenieurwesen die Anpassung der Studien- und Prüfungsordnungen an eine um ein Semester verkürzte Studiendauer wirksam. Für die folgenden Studiengänge wurden in den Jahren 1995/96 neue bzw. veränderte Studien- und Prüfungsordnungen verabschiedet, die jedoch noch nicht alle von der Senatsverwaltung bestätigt sind.
Ein besonderes innovatives Instrument zur Weiterentwicklung von Lehre und Studium sind die Studienreformprojekte und Projektwerkstätten (Innovationstutorien), die an der TU Berlin seit vielen Jahren mit Erfolg betrieben werden. 1989 wurde vom Bund und Land gemeinsam ein Sonderprogramm aufgelegt, das derartige Studienreformvorhaben finanziell unterstützt. Leider ist diese Sonderfinanzierung im Zuge der allgemeinen Sparmaßnahmen Ende 1995 ausgelaufen. In 1995/96 wurden sechs Studienreformprojekte neu eingerichtet mit dem Ziel, die Projektergebnisse nach einer erfolgreichen Projektlaufzeit von zwei Jahren in die reguläre Lehre zu überführen. Inhaltlich befassen sie sich mit folgenden Themen:
Die Projektwerkstätten wurden 1985 als ein Modellversuch zur "fachlichen und didaktischen Innovation" an der TU Berlin gestartet. Sie sind von Studierenden initiierte Lehrveranstaltungen und stehen allen Interessierten offen. Die Grundidee hat sich als erfolgreich erwiesen und wurde deshalb auch von den anderen Berliner Universitäten übernommen. Inhaltlich befassen sich die Projektwerkstätten vorrangig mit Themen aus dem ökologischen und gesellschaftskritischen Bereich. Einige Projektwerkstätten sind bereits in das offizielle Lehrprogramm der Fachbereiche übernommen worden. Dazu zählt das "Energieseminar" und das Projekt "Ganzheitlicher Umweltschutz". Insgesamt wurden 10 Projektwerkstätten mit 24 Tutor/innenstellen á 40 Monatsstunden bewilligt und zu den größeren Projekten gehören ein Elektromobil, eine Heißwasserrakete, eine mechanische Turing-Maschine, eine Projektzeitung "Safer Science", ein Mädchenkalender und eine Diplomarbeitsbörse.
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