TU intern - Juni 2000 - Hochschulpolitik
Detailempfehlungen unter der Lupe
TU Berlin hält mit Nachdruck an Geisteswissenschaften
und Lehrerbildung fest
Wissenschaftssenator Christoph Stölzl sieht das Anfang
Mai vorgelegte Gutachten des Wissenschaftsrates
als hilfreichen Kompass für die Weiterentwicklung des Berliner
Hochschulsystems. Bei den drei Universitätsleitungen stieß
das Papier eher auf Kritik, vor allem was einige Einzelempfehlungen
etwa zur Lehrerbildung und den so genannten Regionalinstituten
betrifft. In Anbetracht der prekären Finanzlage und der bevorstehenden
Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes
sowie der Verlängerung der bis zum Jahr 2002 laufenden Hochschulverträge
wird man sich wohl auf ein zähes Ringen um die Details einstellen
müssen.
Vor allem eines machte die Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten
der Berliner Hochschulen (LKRP) bereits deutlich: Die Hochschulen
werden der geforderten Kooperation untereinander künftig
nachkommen, doch, so die Landeskonferenz weiter, sei die feste
Voraussetzung dafür Planungssicherheit: "Ohne Planungssicherheit
für jede einzelne Hochschule wird jede Kooperationsabsicht
zu einem Risiko für die beteiligten Partner, weil sie angesichts
der schwierigen Gesamtberliner Finanzsituation Gefahr laufen,
für die im Wege der Kooperation geschaffenen Synergie- und
Kostensenkungspotenziale unmittelbar mit Budgetentzug bestraft
zu werden." Keine weiteren Einsparungen dürfen die ausgehandelten
85000 Studienplätze sowie die Investitionen in den Hochschulbau
gefährden - das muss die Berliner Basis für weitere
Diskussion sein.
Die Grundempfehlung, die der Wissenschaftsrat der TU Berlin ins
Buch schrieb, lautet: Die geistes- und sozialwissenschaftlichen
Angebote sollen, sofern sie nicht eine eindeutige Verbindung zu
den Natur- und Ingenieurwissenschaften aufweisen, gestrichen werden.
In ihrer ausführlichen Stellungnahme gab die TU eine deutliche
Antwort: Man werde mit Nachdruck an den Geisteswissenschaften
- einschließlich der diesbezüglichen Magister- und
Lehramtsstudiengängen - festhalten. Die national und international
ausgewiesenen Geisteswissenschaften sind Teil des Profils der
TU. Vor allem will man die Anregung des Wissenschaftsrates aufgreifen,
ein "Zentrum für Gegenwartsliteratur" und ein "Zentrum
für Theorie und Geschichte der Wissenschaft und Technik"
auf dem Charlottenburger Campus zu gründen. Jedoch seien
solche gewünschten Profilbildungen nur möglich, wenn
die grundständigen Studiengänge der Geisteswissenschaften
und die Ausbildung des fachwissenschaftlichen Nachwuchses weiterhin
gewährleistet sind.
Auch will die TU ihr Frankreich-Zentrum
wie bisher nach Kräften fördern. Der Wissenschaftsrat
ist in seiner endgültigen Fassung davon abgewichen, eine
Schließung der so genannten Regionalinstitute in der Stadt
nahe zu legen. Vielmehr plädiert er nun für eine schnelle
Evaluation. Der Wissenschaftsrat habe das Zentrum an der TU einzig
in der Perspektive eines "Regionalinstituts" und dieses
wiederum in einer vor allem romanistisch-orientierten Perspektive
begutachtet. Beide Blickwinkel träfen jedoch nicht den tatsächlichen
Charakter. Die Vernetzung mit anderen Hochschulen und außeruniversitären
Einrichtungen, eine europäische und nationale Ausrichtung
sowie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zeichnen vielmehr
die Arbeit des Zentrums aus.
Nachdrücklich widerspricht das Präsidium der TU der
Empfehlung, die Lehrerbildung bis auf die Studienratsausbildung
mit einer beruflichen Fachrichtung einzustellen. Zum Letzteren
gehöre neben dem Berufsfach immer auch ein allgemeinbildendes
zweites Fach. Die TU will daher ein passendes, wenn auch eingeschränktes
Angebot an Lehramtsfächern anbieten. Außerdem sei in
den naturwissenschaftlichen Fächern die Lehramtskapazität
nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig. Die Naturwissenschaften
sind eine unabdingbare Innovationsreserve für den ingenieurwissenschaftlichen
Kernbereich der TU. Deswegen wurden sie in der Vergangenheit auch
bewusst breiter angelegt. Es ist aus Sicht der TU daher sinnvoll,
diese Kapazitäten auch für Lehrerbildung zu nutzen.
Die Hochschullehrerstellen für Rechtswissenschaft (Fachbereich Wirtschaft und Management)
zu streichen und sie über einen Servicebezug von anderen
Universitäten zu nutzen, so wie es der Wissenschaftsrat will,
hänge u. a. davon ab, ob das Budget für die beiden Lehrstühle
an der TU verbleibt. Denn nur so könne der entsprechende
Service auch "eingekauft" werden. Der erste Vizepräsident,
Prof. Dr. Kurt Kutzler, will in der nächsten Zeit mit FU
und HU sondieren, welche
Servicelösungen möglich sind, um eine Entscheidungsfindung
auf zentraler Ebene in der TU vorzubereiten.
Weiterhin hält der Wissenschaftsrat mittelfristig drei Professuren
für Volkswirtschaftslehre an der TU für ausreichend.
Doch allein zur Abdeckung des Lehrbedarfs, so das Argument des
Präsidiums der TU, seien fünf Fachgebiete (Professorenstellen)
notwendig.
Zur Kenntnis nimmt das TU-Präsidium die Empfehlung, einen
Hochschulrat einzurichten, der das Kuratorium
alter Art ersetzen soll. Zur Zeit sieht es aber noch keine Notwendigkeit
dafür, weil sich die TU mitten in einem Prozess der Struktur-
und Verwaltungsreform befände. Eine veränderte Gremien-
und Leitungsstruktur stehe - im Gegensatz zu den anderen Berliner
Universitäten - erst am Ende dieses Prozesses.
Stefanie Terp
Zeitplan des Senators
Landeshochschulrat und Hochschulräte
Zur empfohlenen Einrichtung von Landes- bzw. Hochschulräten
ist eine Anhörung von Experten aus anderen Bundesländern
(u. a. Bayern, Baden-Württemberg) geplant. Die Ergebnisse
sollen in den Entwurf für eine Novelle des Berliner Hochschulgesetzes
einfließen, der im Herbst vorgestellt werden soll.
Profil- und Schwerpunktbildung
Der Wissenschaftsrat empfiehlt eine Strukturabstimmung in den
Fächern Lehrerbildung und Erziehungswissenschaften (drei
Unis, HdK), Psychologie (drei Unis), Rechtswissenschaften (drei
Unis, Uni Potsdam), Wirtschaftswissenschaften (drei Unis) und
Betriebswirtschaftslehre an den Fachhochschulen. Für jedes
Fach wird unverzüglich eine Sachverständigenkommission
mit vier externen Wissenschaftlern, jeweils einem Vertreter der
beteiligten Hochschulen und aus Brandenburg eingesetzt. Die Hochschulen
wurden gebeten, ihre Vorstellungen bis Anfang September vorzulegen.
Regionalinstitute
Laut Wissenschaftsrat sollen Osteuropa-Institut, Lateinamerika-Institut,
John-F.-Kennedy-Institut an der FU, Nordeuropa-Institut, Großbritannien-Zentrum
an der HU und Frankreich-Zentrum an der TU innerhalb eines Jahres
evaluiert werden. Hierzu wird der Senator eine Kommission mit
fünf auswärtigen Experten berufen.
Leistungsorientierte Mittelvergabe
Der Wissenschaftsrat hat den Hochschulen empfohlen, verbesserte
Instrumente zur Leistungserfassung, zum Controlling und Kriterien
zur internen Mittelvergabe zu entwickeln. Die Hochschulen sollen
ihre Vorschläge bis 1. August unterbreiten. Gleichzeitig
wird die Senatswissenschaftsverwaltung Konzepte entwickeln.
Fachhochschulen
Die Fachhochschulen sollen zügig Konzepte für Ausbau
und Erweiterung von Studiengängen vorlegen.
Einzelempfehlungen
Zu der Vielzahl von Detailempfehlungen wurden die Hochschulen
gebeten, ihre Stellungnahmen bis zum 1. August vorzulegen.
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Leserbriefe
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