Den Standortfaktor strukturell erneuern
Zu den Rahmenbedingungen der Hochschulverträge 2006-2009
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Gerd von Brandenstein, Präsident
der Vereinigung der Unternehmens-
verbände in Berlin und Brandenburg e.V. (UVB) |
Stephan Schwarz, Präsident
der Handwerkskammer Berlin |
Werner Gegenbauer, Präsident
der Industrie- und Handelskammer Berlin |
Sehr geehrter Herr Wowereit,
eine wichtige Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit
einer Region ist - unbestritten - die Attraktivität ihrer Wissenschaftslandschaft.
In diesem Wettbewerb hat Berlin mit seinen Wissenschaftsressourcen
eine günstige Ausgangsposition gegenüber anderen deutschen
und europäischen Metropolen. Trotzdem weist das Berliner Hochschulsystem
eine Reihe struktureller Mängel auf, die zum Teil noch auf
vereinigungsbedingte Gründe zurückzuführen sind,
unter anderem:
- Eine konsequente Ausrichtung auf Qualität ist noch nicht
überall zu finden.
- In der Region werden unverhältnismäßig viele
Studiengänge mehrfach angeboten.
- Die Studierendenverteilung auf die einzelnen Fächergruppen
ist unausgewogen. Ingenieurwissenschaftliche Fächer auf Universitätsniveau
sind dabei deutlich unterrepräsentiert.
- Die Fachstudiendauer ist zu lang. Die Absolventenraten sind
zu niedrig.
- Die Universitäten haben extrem unterschiedliche Kostenstrukturen
in der Lehre.
- Der parallele Verwaltungsaufwand an den Hochschulen ist hoch.
Mit den Hochschulverträgen hat das Land Berlin ein probates
Mittel der Hochschulsteuerung in der Hand. Die Verträge ab
2006 müssen die Haushaltslage Berlins berücksichtigen.
Dafür haben wir Verständnis. Jetzt aber zeichnet sich
ab, dass das ausgehandelte Einsparvolumen - mehr oder weniger -
linear auf die Universitäten verteilt wird, ohne dabei die
Eckpunkte einer Strukturreform zu skizzieren. Das alleinige Festlegen
der Lehrerbildungsstrukturen ist dabei nicht nur zu wenig, sondern
geradezu kontraproduktiv - wie das Beispiel der Technischen Universität
zeigt.
Die Umsetzung der aktuellen Sparvorgaben - unter Beibehaltung der
Lehrerbildungsstrukturen - bedeutet für die TU Berlin eine
deutliche Reduzierung wichtiger ingenieurwissenschaftlicher Studiengänge,
deren Ausbau ja gerade gefördert werden soll und - im Interesse
der hiesigen Wirtschaft - auch gefördert werden muss.
Allein dieses Beispiel zeigt, dass das "Hineinsparen"
in bestehende Strukturen nicht nur zu irreversiblen Schäden
am Gesamtsystem führt. Vielmehr ist die angestrebte Profilbildung
der Hochschulen so nicht möglich. Ganz zu schweigen von der
notwendigen Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge,
die den Berliner Hochschulen ihre europäische Wettbewerbsfähigkeit
sichern muss.
Vor diesem Hintergrund plädieren wir für die Entwicklung
eines Strukturkonzepts, das die mittelfristigen Eckdaten des Berliner
Hochschulsystems festlegt. In diesem Rahmen ließe sich eine
- positiv besetzte - Diskussion um Forschungscluster, Qualität
und Quantität der Lehre, die künftige Aufgabenverteilung
zwischen Fachhochschule und Universität sowie um die auszubauende
Arbeitsteilung zwischen Berlin und Brandenburg führen.
Flankierend müssten Themen wie Studienkonten, Hochschulmanagementgesellschaft
und Wissenschaftstarifvertrag bearbeitet werden, die mittelfristig
zu Einnahmeerhöhungen beziehungsweise Kostenoptimierungen führen.
Ziel muss es sein, die Priorität der Wissenschaft zu erhalten
und trotzdem einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts zu leisten.
Die Wirtschaft engagiert sich für die Weiterentwicklung des
Wirtschafts-, Bildungs- und Wissenschaftsstandorts, beispielsweise
in der Initiative "an morgen denken". Auch für die
Mitarbeit an einem derartigen Strukturkonzept stehen wir gerne zur
Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Gerd von Brandenstein, UVB
Werner Gegenbauer, IHK
Stephan Schwarz, Handwerkskammer
Berlin im November 2003
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