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Nr. 12, Dezember 2003
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Anderthalb Wochenstunden mit 35 Leuten sind keine Übung

Die Situation in vielen Tutorien verschlechtert sich kontinuierlich

Auf dem Wittenbergplatz, in der U- und S-Bahn, vor dem Roten Rathaus hielten Mathematik- und Physikprofessoren ihre Vorlesungen, um auch auf die Raumsituation an den Universitäten aufmerksam zu machen. Die Aktionen fanden großes Interesse sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei den Studierenden. Zum Beispiel begleiten rund 100 Studierende Prof. Eckehard Schöll (Theoretische Physik/Quantenmechanik) zunächst in der S-Bahn vom Bahnhof Zoo zum Alexanderplatz. Er begann die Vorlesung auf dieser Strecke, die an jenem Ort vorbeiführt, an dem Max Planck am 14. Dezember 1900 in seinem berühmten Vortrag vor der Deutschen Physikalischen Gesellschaft die Quantenmechanik begründete. Die Vorlesung wurde danach vor dem Roten Rathaus fortgesetzt.    tui

Alle an der TU Berlin ausgebildeten Ingenieurinnen und Ingenieure brauchen Mathematik als Handwerkszeug. Die Studierenden besuchen deshalb zu Beginn ihres Studiums mehrere Mathekurse. Und weil man den Umgang mit einem so komplexen Hilfsmittel ebenso wenig wie Schreiben oder Klavierspielen vom Zugucken lernen kann, gibt es wöchentliche Übungen in kleinen Gruppen (Tutorien) und Hausarbeiten, die korrigiert werden. Die Korrekturen und die Leitung der Tutorien machen dafür eingestellte Studierende nach dem Vorexamen. Zu Beginn des Wintersemesters haben wir 6200 Tutorienplätze für Ingenieurstudierende und 800 für Mathematikstudierende verteilt, und zwar auf Gruppen von 35 Teilnehmern. Die zur Verfügung stehenden Personalkapazitäten reichten dafür bei weitem nicht aus. Wir haben deshalb die Korrekturarbeit auf die Hälfte reduziert, was in diesem Bereich eine Verschlechterung der Studienbedingungen um die Hälfte bedeutet. Wir haben außerdem einige diplomierte Absolventen per Lehrauftrag für Korrekturaufgaben gewinnen können. Dadurch können die Tutoren mehr Tutorien abhalten, und wir kommen mit den vorhandenen Kräften sowie freiwillig und unentgeltlich geleisteten Zusatzangeboten von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern und Professoren immer noch gerade nicht hin. Auch verdienen anderthalb Stunden in der Woche in einer Gruppe mit 35 Teilnehmern den Namen "Übung" nicht mehr, man darf die Verschlechterung der Ausbildungsqualität in diesem Bereich sicher ebenfalls mit 50 ansetzen. Als Folge schaffen deutlich mehr als die Hälfte der Studierenden die Prüfungen nicht und belasten als Wiederholer das folgende Semester.

Die geschilderte Situation ist in diesem Wintersemester nicht neu, sie hat sich über die vergangenen Jahre kontinuierlich verschlechtert. Die Ausbildung unserer Studierenden macht erst dann wieder Sinn, wenn es gelungen ist, die Zahl der finanzierten Studienplätze und die Zahl der zugelassenen Studierenden ins Gleichgewicht zu bringen.

Prof. Dr. Dirk Ferus

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