Lagebericht aus der Höhle: überall bröckelt's
Ein Spaziergang zu den so genannten Ausstattungsvorsprüngen
der Universität
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Reparaturbedürftig:
nicht nur die Aufzüge |
Als Hans-Joachim Rieseberg an dem grauen Novembermorgen sein Büro
betritt und gar nicht erst Platz nimmt, nur sagt: "Kommen Sie
mal!", da ahnt man Ungemach.
Hans-Joachim Rieseberg lehnt sich auf das Fensterbrett, hält
kurz inne und sagt: "Da drüben das Mathegebäude aus
den Achtzigerjahren - eine riesige Hypothek, und das Gebäude
E-Technik, der Neubau daneben, auch. Wenn nichts geschieht, gehen
die in fünf Jahren in die Knie." Obwohl die Gebäude
noch ganz proper aussehen, müssten Fassade, Wärmedämmung,
Fenster und außen liegender Sonnenschutz dringend saniert
werden. Geschätzte Kosten: 15 bis 20 Millionen Euro allein
für das Mathematikgebäude.
Der Leiter der Abteilung IV, Gebäude- und Dienstemanagement,
der Universität hat zurzeit nur solche Botschaften parat. Um
sein "Reich", daraus macht der Mann keinen Hehl, ist es
nicht zum Allerbesten bestellt. Er ist zuständig für den
gesamten Gebäudebestand der Universität (440000 Quadratmeter
Hauptnutzfläche), für Hörsäle, Seminarräume,
Büros, Labors samt technischer Ausstattung, für Fenster,
Treppen, Toiletten, 140 Aufzüge und etwa 60000 Türen.
Der Weg zu den von Finanzsenator Sarrazin immer wieder erwähnten
"Ausstattungsvorsprüngen" der Universität führt
vorbei an der Erstbestuhlung von Hörsälen, die älter
als 50 Jahre ist und romantisch knarrt, stillgelegten, weil defekten
Aufzügen, für die kein Geld zur Reparatur da ist, und
Rauchschutztüren, "die extrem am Rande sind". Es
fehlen Rauchmelder im Hauptgebäude, Türschlösser
seien "Schrott", die Aufzüge nennt Rieseberg "Rumpelkisten",
im EMH-Gebäude behilft man sich bei starkem Regen mit Eimern,
weil das Dach undicht ist, und die meisten Toiletten seien "jenseits
von gut und böse".
Allein bei den Abwasseranlagen bestünde mittlerweile ein Sanierungsbedarf
von zehn Millionen Euro. Das ist so viel wie Hans-Joachim Riesebergs
gesamter Jahresetat.
Von einer Grundsanierung kann derzeit keine Rede sein. Also wird
in der Zentralwerkstatt noch bestes deutsches Handwerk gepflegt
und repariert, was noch zu reparieren ist. Resteverwertung steht
hoch im Kurs. Da die Ausstattung für einen mittleren großen
Hörsaal zwischen 100000 und 200000 Euro kostet, das Geld dafür
nicht vorhanden ist und für die Hörsaalbestuhlung aus
den Anfangsjahren zum Beispiel keine Ersatzteile mehr zu bekommen
sind, recycelt der Tischler aus zweien eine.
Ein anderes großes Problem, das Rieseberg hat, ist der Asbest,
der noch vor 20, 30 Jahren reichlich verbaut wurde. Es ginge davon
zwar keine aktuelle Gefahr aus, "aber bei Umbauten holen wir
ihn raus und das kostet".
Rieseberg kann mit den Mitteln nur dafür sorgen, dass keine
Gefahr im Verzug ist und der Mangel so klug und clever wie möglich
verwaltet wird.
Der gesamte Sanierungsbedarf, so Rieseberg, ergebe sich aus ganz
normalen Verschleißerscheinungen, die sich nach 50 Jahren
nun einmal bemerkbar machten, da könne das Material noch so
gut sein. Aber Petitessen wie Schönheitsreparaturen, um den
schäbigen Eindruck mancherorts zu mildern, muss er seinen Nachfolgern
überlassen. Er hat Prioritäten zu setzen, zu entscheiden,
ob er in moderne Sicherheitstechnik investiert oder in Farbe und
Pinsel. So wird Hans-Joachim Rieseberg wohl noch weitere Jahre durch
die große Eingangshalle gehen, die er "Höhle"
nennt. Aber Staub und Schmutz konservieren ja bekanntlich.
Sybille Nitsche
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