Der Coup - des Kaisers Bruder als erster TH-Ehrendoktor
Das Verhältnis Wilhelms II. zur Technik wird jetzt wissenschaftlich
unter die Lupe genommen
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Schnappschuss aus dem Jahre
1911: Automobilfan Prinz Heinrich startet in Hamburg bei einer
Wettfahrt |
Kaiser Wilhelm II. gilt als eine spannungsvolle Persönlichkeit
in der deutschen Geschichte - auf der einen Seite Vergangenem verhaftet,
auf der anderen den Blick in die Zukunft gerichtet. Im Urteil seines
Vertrauten und Freundes Philipp Eulenburg: "Der Kaiser repräsentiert
... zwei total verschiedene Naturen: die ritterliche - im Sinne
der schönsten Zeit des Mittelalters mit Frömmigkeit und
Mystik - und die moderne." Theodor Fontane beurteilte ihn ambivalent:
"Was mir an dem Kaiser gefällt, ist der totale Bruch mit
dem Alten, und was mir an dem Kaiser nicht gefällt, ist das
im Widerspruch dazu stehende Wiederherstellen des Uralten ... Er
glaubt, das Neue mit ganz Altem besorgen zu können, er will
Modernes aufrichten mit Rumpelkammerwaffen ..." Walther Rathenau
brachte die Widersprüche auf die Formel von Wilhelms "elektrisch-journalistischem
Caesaropapismus".
Den in diesen Zitaten vorhandenen Widersprüchen und den modernen
Zügen in Wilhelms Persönlichkeit und Politik geht ein
von der Fritz Thyssen Stiftung gefördertes Forschungsprojekt
des Technikhistorikers Prof. Dr. Wolfgang König (Fakultät
I, Geisteswissenschaften) nach. Es konzentriert sich auf das Verhältnis
des Kaisers zu Technik und Industrie. Die Forschungsarbeit erstreckt
sich auf die Rüstung von Heer und Marine, die Passagierschifffahrt,
die Funktechnik, den Motorsport mit Automobil und Flugzeug, den
Zeppelin, die Eisenbahnen, den Kanalbau, die Errichtung von Talsperren,
die Architektur, die Welt- und Industrieausstellungen, die technische
Bildung und die Ingenieurwissenschaften. Bekannt ist, dass Wilhelm
II. 1899 den preußischen Technischen Hochschulen das Promotionsrecht
verlieh. Bislang unbekannt war, dass Alois Riedler, der damalige
Rektor der TH Berlin, einen weiteren Coup plante: Der Kaiser selbst
sollte der erste Ehrendoktor der TH Berlin werden. Im Kultusministerium
wollte man sich damit nicht anfreunden, sah man sich doch ohnehin
mit Klagen über die Bevorzugung der Technischen Hochschulen
gegenüber den Universitäten konfrontiert. Die Wahl fiel
schließlich auf den Bruder des Kaisers, Prinz Heinrich von
Preußen. Am 9. Januar 1900 wurde ihm die Würde eines
Dr.-Ing. E.h. verliehen.
Im Nachhinein erwies sich Heinrich der Ehre durchaus als würdig.
In der Geschichte des Motorsports kennt man ihn sowohl als Aktiven
wie als Förderer des Automobil- und Flugsports und Inhaber
mehrerer Scheibenwischerpatente. Sein erstes Auto, einen Dampfwagen,
erwarb er 1902 auf einer Amerikareise. Im Sommer 1910 begleitete
er den Grafen Zeppelin auf einer Fahrt mit dem Luftschiff nach Spitzbergen.
Im November des gleichen Jahres machte er den Pilotenschein. Die
Allgemeine Automobil-Zeitung würdigte seine technischen Kompetenzen
anlässlich seiner Silbernen Hochzeit: "... er gehört
zu den wenigen hohen Automobilisten, die nicht bloß das Steuer
ihres Wagens meisterlich und korrekt zu führen wissen, dem
Prinzen wohnen auch viele wertvolle technische Kenntnisse inne."
tui
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