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Nr. 10, Oktober 2003
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Im Reich der Mitte gibt es keinen TÜV

TU-Lehrstuhl bietet China Unterstützung im Rettungs- und Gesundheitswesen für Olympia 2008 an

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, übergibt seinem Amtskollegen in Peking, Wang Qishan, die Gastgeschenke aus Berlin

Nützliche Gastgeschenke übergab Bürgermeister Klaus Wowereit bei seiner Chinareise Anfang Juni dem Oberbürgermeister Pekings, Wang Qishan, im Namen Berlins: acht Beatmungsgeräte der Dräger Medical AG in Lübeck, ein Ultraschall-Diagnosegerät der Siemens AG und einen Niedertemperatur-Sterilisator der Firma Webeco. Und auch die TU Berlin beteiligte sich: So ergänzten der AwB-Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft & Produktergonomie (AwB) und die daraus ausgegründete Genossenschaft Institute for Health Care Systems Management Berlin eG (HCMB) auf Grundlage einer langjährigen Zusammenarbeit mit der Firma Dräger dieses Geschenk mit einem Gutschein für ein "Executive Training for Technology Management in Health Care Systems".

"Der Bedarf für das zu vermittelnde Wissen ist groß. Viele Defizite bestehen beispielsweise hinsichtlich der Wartung und Instandhaltung von Medizingeräten."

"Dieser exklusive zweiwöchige Trainingskurs ist für den Herbst dieses Jahres geplant und wird von Experten aus der AwB und der HCMB mit maximal zwölf Teilnehmern durchgeführt, der erste Teil in Berlin, der zweite in Peking", sagt Prof. Dr. med. habil. Wolfgang Friesdorf, Leiter der AwB und Vorstandsmitglied der HCMB. "Ziel ist es, den Verantwortlichen für den Einsatz von Medizinprodukten Managementkompetenz zu vermitteln."

Der Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft & Produktergonomie von Professor Friesdorf ist auf das medizinische Arbeitssystem ausgerichtet. Die Wissenschaftler konzentrieren sich unter anderem auf die Analyse und Optimierung von Arbeitsabläufen, Arbeitsplätzen und Produkten im Gesundheitswesen. Im Juni 2001 wurde aus der AwB mit sieben Professoren der TU Berlin die Genossenschaft HCMB ausgegründet, um die universitären Forschungsaktivitäten zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung umzusetzen. Das internationale Experten-Netzwerk der HCMB reicht von Europa bis nach Japan und in die USA. Sie will auf nationaler und internationaler Ebene Effizienz und Qualität im Gesundheitswesen kontinuierlich und nachhaltig steigern sowie innovative Systemlösungen erarbeiten. Als Genossenschaft verknüpft die HCMB unternehmerische Ziele mit sozialer Verantwortung.

Das Beratungs- und Weiterbildungsangebot der HCMB umfasst derzeit unter anderem Prozessmanagement, Arbeitsplatzgestaltung, Entwicklung von neuartigen Versorgungssystemen sowie innovative Finanzierungs- und Vergütungskonzepte. In Kursen unterstützt sie Entscheidungsträger im Gesundheitswesen bei der Einschätzung ihrer vorhandenen Optimierungspotenziale und bei deren nachhaltiger Freisetzung.

An der AwB arbeitet seit vier Jahren die chinesische Stipendiatin Jing Wu. Sie schreibt dort ihre Doktorarbeit zum Thema: "Strategie der Instandhaltung medizintechnischer Geräte in Entwicklungsländern". Dafür hat sie bereits in China an fast 80 Krankenhäusern Umfragen zum Zustand und zur Instandhaltung von Medizintechnik aus Sicht der Benutzer und der Ingenieure durchgeführt. Wu wird den Trainingskurs in Berlin und Peking begleiten. "Der Bedarf in China für das zu vermittelnde Wissen ist groß", sagt sie. "Viele Defizite bestehen beispielsweise hinsichtlich der Wartung und Instandhaltung von Medizingeräten." Da China Medizintechnik größtenteils importiert, fällt den ausländischen Herstellern der Markteintritt leicht. Eine Stabilisierung ist für sie dagegen sehr schwierig, denn China ist mehr als dreißigmal so groß wie Deutschland, und es ist kaum möglich, Service leicht erreichbar zu machen. Ein Problem sei auch, sagt Wu, dass die Produktverantwortlichen die angebotenen Servicepakete nicht kaufen. Dies liege einerseits daran, dass sie schlecht einschätzen können, wie dringend diese benötigt werden. Andererseits entspreche es nicht der chinesischen Mentalität, für Service zu bezahlen. Für die Wartung von Geräten gibt es nicht nur keine klaren Verordnungen und Regeln, sondern auch keine unabhängigen Institutionen, die Qualitätskontrollen durchführen, wie in Deutschland beispielsweise der TÜV. Es gibt also kaum eine Kontrolle von dritter Seite, wie lange die Geräte bereits in Betrieb und ob sie gut erhalten und vollständig sind. Dies sei ein Grund dafür, warum es im Einsatzbereich von Medizintechnik kein Instandhaltungsbewusstsein gibt, meint Wu. An diesen Problemen setzt das Seminar von Friesdorf und seinen Mitarbeitern an. Im ersten Teil möchten sie - in Berlin - darstellend am Einsatz von Medizintechnik in Deutschland Wissen über Gerätemanagement und Gerätelogistik vermitteln. Im zweiten Teil werden - in Peking - die Ergebnisse diskutiert und auf die Situation in China übertragen. Dabei stellen die Experten den Teilnehmern Abläufe von der Entscheidung für Geräte über deren Instandhaltung und Wartung bis hin zum Ausmustern von Geräten dar und diskutieren auch die Beschaffung und adäquate Entsorgung von Verbrauchsmaterial, wie zum Beispiel Schläuchen für Beatmungsgeräte. Auch die Wichtigkeit von klaren Verantwortungsgrenzen wird erläutert. Die Schulungskonzepte werden anschließend diskutiert, was den Teilnehmern ermöglicht, ihr erworbenes Wissen weiterzugeben. Die Möglichkeiten der Veränderung durch nur einen Kurs sind begrenzt, und so sagt Friesdorf: "Erfolgreich ist der Kurs, wenn wir Interesse an weiteren Schulungen wecken."

Auch in Hinblick auf die Olympischen Spiele 2008 in Peking möchten die AwB und HCMB ihr Wissen bei der Ausgestaltung des Rettungs- und Gesundheitswesens in China anbieten. Friesdorf sieht darin "die Möglichkeit einer langfristigen und engen Zusammenarbeit zwischen der TU Berlin und China". Dabei möchten die Experten in den Kursen nicht Wissensinhalte vorschreiben, sondern den Produktverantwortlichen neue Gebiete und Denkweisen eröffnen sowie entsprechende Analyse- und Optimierungsmethoden offen zur Diskussion stellen, um sie an die speziellen Anforderungen des chinesischen Marktes anzupassen.

Wu Jing,
Fachgebiet Arbeitswissenschaft & Produktergonomie

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