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Nr. 10, Oktober 2003
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Fahrt ins Exil

Studierende besuchen Sanary-sur-Mer

In der kleinen südfranzösischen Stadt Sanary-sur-Mer hatten vor und während des Zweiten Weltkrieges deutsche Künstler - darunter Thomas Mann und Lion Feuchtwanger - Zuflucht vor den Nationalsozialisten gesucht. Dorthin reisten TU-Studierende des Seminars "Erinnerungskulturen im europäischen Vergleich", Fachgebiet Französische Philologie, unter Leitung von Dr. Mechthild Gilzmer.

Zu seinem 40. Jahrestag hatte das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) zu dem Forum "Das DFJW - Experimentierfeld im Dienste einer europäischen Zivilgesellschaft" geladen. In der Diskussion um "Austausch und Erinnerungsarbeit" konnten die TU-Studierenden die theoretischen Erkenntnisse aus ihrem Seminar präsentieren: ein Vergleich der unterschiedlichen Darstellung französisch-deutscher "Résistance"-Kämpfer und Kollaborateure in Frankreich, die man in deutschen Geschichtslehrwerken findet. Historische Ereignisse im Nachbarland kommen, so ergab sich, kaum im Geschichtsunterricht, sondern eher im Französischunterricht zur Sprache.

Während des einwöchigen Aufenthaltes in Sanary hatte das DFJW außerdem eine Besichtigung des einstigen Internierungs- und späteren Deportationslagers "Les Milles" organisiert, in dem auch zahlreiche deutschsprachige Künstler wie Max Ernst oder Hans Bellmer interniert waren. Von ihrer Präsenz zeugen heute noch die inzwischen renovierten Wandzeichnungen im ehemaligen Speisesaal des Wachpersonals. Schon vor der Exkursion hatten die Studierenden einen Gastvortrag von Doris Obschernitzki über die Geschichte dieses Lagers gehört.

Schülergruppen aus Deutschland und Frankreich stellten in Sanary ihre prämierten Projekte zur deutsch-französischen Geschichte vor. Interviews mit ihnen bestätigten den TU-Romanisten ihre These, dass ein differenziertes Bild der Vergangenheit nur dann vermittelt werden kann, wenn die Grenzen der Fachdisziplinen und Nationen überschritten werden. Dabei fällt der Blick dann auch auf die weißen Flecken dieser Vergangenheit: die Teilnahme von deutschen Emigranten am französischen Widerstand beispielsweise ebenso wie die Existenz von Lagern für so genannte "feindliche Ausländer" und die vom französischen Staat mitverantwortete Deportation der Juden aus Frankreich. Bei der Beschäftigung mit diesen Fragen wurden so manche klischeehaften Vorstellungen vom anderen Land revidiert.

Dr. Mechthild Gilzmer wird im Wintersemester 2003/2004 ein deutsch-französisch-polnisches Seminar zur "europäischen Erinnerungskultur" anbieten.

Nils Achtrath, Joanna Brockhaus,
Dorit Bundesmann, Morten Goedicke,
Anna Hattinger und Jenny Wahrheit

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