Vorreiter der Vernunft
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100 Jahre entwickelte sich
das Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb von
"Opa's Fabrik" über die Fabrik der Zukunft zur
Digitalen Fabrik. Konstruktionsmethoden wurden revolutioniert,
von der Metallwerkbank zur virtuell optimierten Produktion wie
hier im Automobildesign |
"Das Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb
hat in vorbildlicher Weise vorgelebt, was Ingenieurwissenschaften
für Deutschland bedeuten. Sie sind, insbesondere in der wichtigsten
Exportbranche Deutschlands, dem Maschinenbau, ein besonders wichtiger
Impulsgeber", würdigte TU-Präsident Professor Kurt
Kutzler das Institut
für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) bei der Festveranstaltung
zum 100-jährigen Jubiläum am 27. September.
Geehrt wurden an diesem Tag im TU-Hauptgebäude nicht nur eine
erfolgreiche Einrichtung, sondern auch zwei erfolgreiche Vertreter
aus Wissenschaft und Wirtschaft. Professor Joachim Milberg, Aufsichtratsvorsitzender
von BMW und einst selbst Assistent am IWF, und der Philosophie-Professor
Jürgen Mittelstraß erhielten im Rahmen der Veranstaltung
die Ehrendoktorwürde der TU Berlin. (Siehe Artikel "Neue
Ehrendoktoren der TU Berlin".) Ebenfalls ausgezeichnet
wurde der TU-Absolvent und ehemalige IWF-Mitarbeiter Dr. Marcus
Brücher, der für seine hervorragenden Leistungen auf dem
Gebiet der Fertigungstechnik die Otto-Kienzle-Gedenkmünze der
Wissenschaftlichen
Gesellschaft für Produktionstechnik (WPG) erhielt.
Eng verbunden mit der Geschichte des IWF ist der Name Georg Schlesinger.
"Ohne ihn würde das Institut in seiner heutigen Form nicht
existieren", betonte der Geschäftsführende Direktor
des Instituts, Professor Eckart Uhlmann, in seiner Begrüßungsrede.
Schlesinger wurde 1904 auf den Lehrstuhl für Werkzeugmaschinen,
Fabrikanlagen und Fabrikbetriebe an die TH Berlin berufen. Damit
wurde erstmals in Deutschland der Fabrikbetrieb als wissenschaftliche
Disziplin anerkannt. Schlesinger half, Maschinen und Arbeitsabläufe
stärker auf den Menschen zuzuschneiden sowie den technischen
Nachwuchs besser auszubilden. Dazu hatte er 1906 das erste Versuchsfeld
für Werkzeugmaschinen in Deutschland eingerichtet. "Effizienz,
technologische und ökonomische Vernunft hielten Einzug in die
Fabriken", stellte Festredner Professor Günter Spur fest,
unter dessen Leitung 1965 bis 1997 die Erfolgsgeschichte des IWF
fortgeschrieben wurde. Jedoch wurde Schlesinger während der
NS-Diktatur aufgrund seiner jüdischen Herkunft 1933 von seinem
Lehrstuhl vertrieben und in die Emigration gezwungen.
Nach dem Wiederaufbau in der Nachkriegszeit begann in den 1960er-Jahren
mit der Verbindung von Produktionstechnik und Informationstechnik
eine neue Zeit. "Opas Fabrik ist tot - es lebe die Fabrik der
Zukunft" lautete das Motto der neuen Generation von Ingenieuren.
Zu ihnen zählte Günter Spur, unter dem 1976 auch das Fraunhofer-Institut
für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) gegründet
wurde. IPK und IWF arbeiten seit 1986 gemeinsam im Produktionstechnischen
Zentrum (PTZ) unter einem Dach. Im "Doppelinstitut"
entwickelten Wissenschaftler wegweisende Lösungen für
die Automatisierung und die rechnerintegrierte Produktion. Die Forschungen
führten zu mehr als 50 Unternehmensgründungen und der
Schaffung von rund 2000 Arbeitsplätzen.
Heute arbeitet die Forschung interdisziplinär an der "Digitalen
Fabrik". Ihr Ziel ist es, Produktentwicklung, Fertigungsplanung
und Produktion informationstechnisch so abzubilden und zu vernetzen,
dass gesamte Produktentstehungs- und Lebenszyklen simuliert, überprüft
und optimiert werden können. Wie wichtig solche Innovationen
der Forschung in der Produktion sind, diskutierten Vertreter aus
Politik, Wirtschaft und Wissenschaft im Anschluss an das Jubiläum
beim Produktionstechnischen Kolloquium (siehe hier).
cho
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