Anerkennung, aber keine Arbeit im Land der Hoffnung
Der lange Weg des August Röbling zur Brooklyn Bridge, der
größten Hängebrücke der Welt des 19. Jahrhunderts
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1855 wurde die Doppelstockbrücke
über den Niagara eingeweiht, die erste Hängebrücke
der Welt, die Einsenbahnüberquerung und normalen Straßenverkehr
zuließ
aus: Steinmann: Brücken für die Ewigkeit, Werner-Verlag |
Vor 150 Jahren, im März 1855, wurde die erste eiserne Eisenbahnhängebrücke
der Welt über den Niagara eingeweiht. Mit ihrer Spannweite
von 280 Metern und dem Straßenverkehr, der noch unter der
Eisenbahn parallel über die Brücke geführt wurde,
war sie eine technische Sensation. Sie machte ihren Konstrukteur
berühmt und reihte ihn ein in die großen Brückenbauer
der USA: Johann (John) August Röbling, geboren 1806 in Mühlhausen/Thüringen,
Absolvent der Berliner Bauakademie, einer Vorgängereinrichtung
der TU Berlin, im Jahre 1831 in die USA eingewandert.
Zusammen mit seinem Freund F. A. Stüler, dem späteren
Schinkel-Nachfolger, hatte sich Röbling auf die Prüfung
für die renommierte Berliner Bauakademie vorbereitet. 1824
begann seine Ausbildung zum Zivilingenieur. Die technische Mode
der Zeit waren eiserne Hänge- und Kettenbrücken. Der Brite
T. Telford baute zwei wegweisende Hängebrücken von Menai
und Conway-Castle. Karl Friedrich Schinkel zeichnete diese Bauwerke
während einer Englandreise und publizierte sie in einem Berliner
Journal (siehe Illustration zum Artikel "Die
Brücke, die denkt"). Der Franzose Navier entwickelte
die theoretischen Grundlagen dieser Bauweise, und Dietlein übertrug
sie ins Deutsche.
Der junge Röbling war von Hängebrücken fasziniert.
1827 schrieb er seine Abschlussarbeit über eine solche Brücke,
die sich in Bamberg im Bau befand. Aber neben dem technischen Interesse
begeisterte er sich auch für Philosophie. Im Wintersemester
1826/27 hörte er Hegels geschichtsphilosophische Vorlesungen.
Dabei lernte er Amerika als das "Land der Hoffnung" lieben.
Der junge Röbling verließ tatendurstig die Bauakademie,
fand aber nur als Hilfsingenieur Anstellung. Neben der Freiheit
für den Tüchtigen vermisste er in der Heimat auch politische
und geistige Toleranz. 1831 entschloss er sich zur Auswanderung.
In der Neuen Welt wurde er zunächst Landwirt. Aber das Leben
als Farmer sagte ihm wenig zu. Nach Heirat und Geburt des ältesten
Sohnes Washington erhielt die Familie 1837 die US-Staatsbürgerschaft.
Röbling versuchte, wieder im erlernten Beruf Fuß zu fassen.
In Nordamerika begann die industrielle Revolution als Revolution
im Verkehrswesen: Kanäle, Eisenbahnlinien, Brücken wurden
gebaut. Doch die Konkurrenz war hart, das Diplom verschaffte Röbling
zwar Anerkennung, aber keine Arbeit. Er begriff, dass er nur Erfolg
haben würde, wenn er als Ingenieur außer den Plänen
auch das wichtigste Material für seine Brücken liefern
könnte. So baute er 1840 eine Drahtseilfabrik auf, entwickelte
diverse Herstellungsverfahren und publizierte die Vorteile seiner
Bautechnologie.
Das war der Durchbruch! Als Ingenieur-Unternehmer war er gefragt.
1845 baute er die erste Kanalhängebrücke über den
Allegheny-Fluss. Sechs Brücken in sechs Jahren schlossen sich
an. Als vorläufiger Höhepunkt erwies sich die oben erwähnte
Niagara-Brücke. Das Besondere dieses Baus waren die Versteifungen
und Schrägverspannungen, die ihm zusätzlich Halt und Widerstand
gegen Windauftrieb - eine gefährliche Einsturzursache - gaben.
1855 stellte Röbling im Abschlussbericht zu dieser Brücke
fest, dass Stahldrahtseile bester Qualität eine doppeltlange
Spannweite erlauben würden. Die Möglichkeit einer Hängebrücke
mit der Spannweite von 490 Metern über den East River von New
York schien realisierbar. Röbling arbeitete akribisch die Konstruktionspläne
für die Brooklyn Bridge aus. 1870 sollten die Bauarbeiten beginnen,
doch kurz zuvor kam es zur Katastrophe: Bei Vermessungsarbeiten
wurde Röblings Fuß gequetscht, Tetanus stellte sich ein,
und schließlich der Tod am 22. 7. 1869. Sein Sohn Washington
Röbling und dessen Frau Emelie konnten schließlich 1883
die Brooklyn Bridge als größte Hängebrücke
der Welt vollenden.
Hans Christian Förster
Lesen Sie auch: Die Brücke, die denkt
- Mike Schlaich forscht an der Konstruktion agierender und wandelbarer Bauten
Röbling wird 200
Im
Juni 2006 jährt sich der Geburtstag Johann August Röblings
zum 200. Mal. Das Stadtmuseum
Berlin und die Internationale
Bauakademie e.V. bereiten dazu eine umfangreiche Ausstellung
vor, die in der Attrappe der Schinkelschen Bauakademie in
Mitte gezeigt werden soll. Bundesweit finden noch weitere
Veranstaltungen statt: ein Buchprojekt, eine Tagung in der
Fachhochschule
Potsdam zur Geschichte des Brückenbaus und der Tragwerksentwicklung
sowie eine Festveranstaltung in Röblings Heimatstadt
Mühlhausen in Thüringen.
tui
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