2-3/05
Februar-März 2005
 
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Die Brücke, die denkt

Mike Schlaich forscht an der Konstruktion agierender und wandelbarer Bauten

Die Ting-Kau-Brücke in Hongkong (China) gehört zu den längsten Schrägseilbrücken der Welt, geplant von dem deutschen Ingenieurbüro Schlaich Bergermann und Partner. Der neu berufene TU-Professor Mike Schlaich hatte seinerzeit den Bau geleitet. 1998 war sie fertig gestellt worden. Brücken sind von jeher die Krönung ingenieurtechnischer Leistungen und nicht selten der Versuch, Rekorde zu brechen. Erst im vergangenen Jahr wurde in Frankreich ein solches Viadukt der Superlative eingeweiht - die Millau-Brücke des britischen Architekten Norman Foster. Sie gilt nicht nur als die schönste, sondern mit ihren Pfeilern von 343 Metern auch als die höchste Brücke der Welt. Die sächsische Göltzschtal-Brücke war 1851, im Jahr ihrer Eröffnung, das höchste Bahnviadukt der Welt. Auch Karl-Friedrich Schinkel zeichnete auf seinen Englandreisen Hänge- und Kettenbrücken. Die längste Hängebrücke der Welt mit 3300 Metern soll dereinst die Brücke von Messina (Italien) werden. Zukunft haben auch veränderbare Brücken, wie die Dreifeld-Klappbrücke "Kieler Hörn" in Schleswig-Holstein, ebenfalls entworfen vom Büro Schlaich Bergermann und Partner.
Foto: Schlaich Bergermann und Partner

Es ist nicht die schiere Größe, die ihn in ihren Bann zieht, wenngleich auch er seine Brücke der Superlative geplant hat - die Ting-Kau-Brücke in Hongkong, die mit 1177 Metern zu den längsten und schlanksten Schrägseilbrücken der Welt gehört. Vielmehr faszinieren Mike Schlaich am Vorstoß in andere Dimensionen, wie dieser mit neuen Technologien und Materialien erreicht werden kann.

 
  Die Brücke von Messina (Animation)
Foto: Stretto di Messina S.p.A.
 
 
  Hängebrückenzeichnung von Schinkel
aus: E. Fuchtmann: Stahlbrückenbau
 
 
  Einzigartige Klappbrücke "Kieler Hörn"
Foto: Dirk Uhlenbrock
 
 
  Griechische Evripos-Brücke, fertig gestellt 1992
Foto: Schlaich Bergermann und Partner
 
 
  Millau-Viadukt in Frankreich
Foto: Michel Rabiller
 
 
  Göltzschtal-Brücke in Sachsen
Foto: privat

"Bestehendes einfach nur hochskalieren, allein um des Monumentalen willen, ist wenig kreativ", sagt Prof. Dr. sc. techn. Mike Schlaich, der seit vergangenem Jahr das Fachgebiet Massivbau an der TU lehrt. Bei der Spannweite der Brücke von Messina mit 3300 Metern beginne das Stahlseil an seine Grenzen zu stoßen, so Schlaich. Noch größere Spannweiten seien künftig wohl nur mit neuen Materialien wie faserverstärkten Kunststoffen möglich.

So beeindruckend das Messina-Projekt ist, bleibt es doch im Kern ein konventioneller Brückenbau. Mike Schlaich jedoch hat anderes im Blick - die intelligente Brücke, "die ihr Tragverhalten situationsabhängig ändert, sich wechselnden Lasten anpasst oder sich zusammenfaltet, wenn sie nicht mehr gebraucht wird". Schlaichs Vision ist jedoch nicht nur auf Brücken beschränkt, sondern gilt für Dächer, Türme, Hallen und Fassaden ebenso. "Es wird in Zukunft darum gehen, aktive und wandelbare Bauten zu konstruieren. Aktiv in dem Sinne, dass sie sich verändernden Einflüssen anpassen, und wandelbar, um vielfältige Nutzungen zu ermöglichen." Stadien, die durch ein bewegliches Dach in eine Konzerthalle verwandelt werden, seien erst der Anfang.

Lösungsansätze für solche Konstruktionen sieht Schlaich in der Kombination von Leichtbau, Bionik und Mikrosystemen, einem der Schwerpunkte seiner Forschung. Leichtbauten hätten aufgrund ihres geringen Gewichtes das Potenzial, sich anzupassen und zu bewegen, so Schlaich. Die Bionik wiederum, die die Zusammenhänge zwischen Biologie und Mechanik untersuche, könne aus Spinnennetzen, Muschelschalen und Blüten Ideen filtern für derartige Tragwerke. Die Natur sei in dieser Hinsicht eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Und mit neuen Technologien wie den Mikrosystemen lasse sich zum Beispiel eine verbesserte Aerodynamik erzeugen. "So ist es denkbar, nicht nur an den Brückenköpfen hydraulisch einstellbare Flügel anzubringen, um das Flattern zu verringern", erklärt Schlaich, "sondern die gesamte Brücke mit kleinsten Flügeln zu überziehen, so dass sie wie eine Fischhaut umströmt wird."

Mike Schlaich hat bis zu seiner Berufung in dem renommierten Ingenieurbüro Schlaich Bergermann und Partner gearbeitet, das sein Vater, Jörg Schlaich, 1980 in Stuttgart gegründet hatte. Mit seinen "leichten und weiten" Konstruktionen wie dem Dach des Münchner Olympia-Stadions brachten die Stuttgarter moderne Bauingenieurskunst zu Weltgeltung, da sich in ihren Bauten höchstes technisches Können und Kreativität auf kongeniale Weise durchdringen. Diesem Anspruch fühlt sich Mike Schlaich verpflichtet. Er möchte den Studierenden sowohl technisches Wissen als auch gestalterisches Können vermitteln und somit den Bauingenieur von dem Image befreien, lediglich die Statik eines Bauwerks berechnen zu können.

Sybille Nitsche

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Mike Schlaich im neuen Büro an der TU Berlin
Foto: TU-Pressestelle
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