Die Brücke, die denkt
Mike Schlaich forscht an der Konstruktion agierender und wandelbarer
Bauten
|
Die Ting-Kau-Brücke in
Hongkong (China) gehört zu den längsten Schrägseilbrücken
der Welt, geplant von dem deutschen Ingenieurbüro Schlaich
Bergermann und Partner. Der neu berufene TU-Professor Mike Schlaich
hatte seinerzeit den Bau geleitet. 1998 war sie fertig gestellt
worden. Brücken sind von jeher die Krönung ingenieurtechnischer
Leistungen und nicht selten der Versuch, Rekorde zu brechen.
Erst im vergangenen Jahr wurde in Frankreich ein solches Viadukt
der Superlative eingeweiht - die Millau-Brücke des britischen
Architekten Norman Foster. Sie gilt nicht nur als die schönste,
sondern mit ihren Pfeilern von 343 Metern auch als die höchste
Brücke der Welt. Die sächsische Göltzschtal-Brücke
war 1851, im Jahr ihrer Eröffnung, das höchste Bahnviadukt
der Welt. Auch Karl-Friedrich Schinkel zeichnete auf seinen
Englandreisen Hänge- und Kettenbrücken. Die längste
Hängebrücke der Welt mit 3300 Metern soll dereinst
die Brücke von Messina (Italien) werden. Zukunft haben
auch veränderbare Brücken, wie die Dreifeld-Klappbrücke
"Kieler Hörn" in Schleswig-Holstein, ebenfalls
entworfen vom Büro Schlaich Bergermann und Partner.
Foto: Schlaich Bergermann und Partner |
Es ist nicht die schiere Größe, die ihn in ihren
Bann zieht, wenngleich auch er seine Brücke der Superlative
geplant hat - die Ting-Kau-Brücke in Hongkong, die mit 1177
Metern zu den längsten und schlanksten Schrägseilbrücken
der Welt gehört. Vielmehr faszinieren Mike Schlaich am Vorstoß
in andere Dimensionen, wie dieser mit neuen Technologien und Materialien
erreicht werden kann.
|
|
|
Die Brücke
von Messina (Animation)
Foto: Stretto di Messina S.p.A.
|
|
|
|
Hängebrückenzeichnung
von Schinkel
aus: E. Fuchtmann: Stahlbrückenbau
|
|
|
|
Einzigartige
Klappbrücke "Kieler Hörn"
Foto: Dirk Uhlenbrock
|
|
|
|
Griechische
Evripos-Brücke, fertig gestellt 1992
Foto: Schlaich Bergermann und Partner
|
|
|
|
Millau-Viadukt
in Frankreich
Foto: Michel Rabiller
|
|
|
|
Göltzschtal-Brücke
in Sachsen
Foto: privat |
"Bestehendes einfach nur hochskalieren, allein um des Monumentalen
willen, ist wenig kreativ", sagt Prof. Dr. sc. techn. Mike
Schlaich, der seit vergangenem Jahr das Fachgebiet
Massivbau an der TU lehrt. Bei der Spannweite der Brücke
von Messina mit 3300 Metern beginne das Stahlseil an seine Grenzen
zu stoßen, so Schlaich. Noch größere Spannweiten
seien künftig wohl nur mit neuen Materialien wie faserverstärkten
Kunststoffen möglich.
So beeindruckend das Messina-Projekt ist, bleibt es doch im Kern
ein konventioneller Brückenbau. Mike Schlaich jedoch hat anderes
im Blick - die intelligente Brücke, "die ihr Tragverhalten
situationsabhängig ändert, sich wechselnden Lasten anpasst
oder sich zusammenfaltet, wenn sie nicht mehr gebraucht wird".
Schlaichs Vision ist jedoch nicht nur auf Brücken beschränkt,
sondern gilt für Dächer, Türme, Hallen und Fassaden
ebenso. "Es wird in Zukunft darum gehen, aktive und wandelbare
Bauten zu konstruieren. Aktiv in dem Sinne, dass sie sich verändernden
Einflüssen anpassen, und wandelbar, um vielfältige Nutzungen
zu ermöglichen." Stadien, die durch ein bewegliches Dach
in eine Konzerthalle verwandelt werden, seien erst der Anfang.
Lösungsansätze für solche Konstruktionen sieht Schlaich
in der Kombination von Leichtbau, Bionik und Mikrosystemen, einem
der Schwerpunkte seiner Forschung. Leichtbauten hätten aufgrund
ihres geringen Gewichtes das Potenzial, sich anzupassen und zu bewegen,
so Schlaich. Die Bionik wiederum, die die Zusammenhänge zwischen
Biologie und Mechanik untersuche, könne aus Spinnennetzen,
Muschelschalen und Blüten Ideen filtern für derartige
Tragwerke. Die Natur sei in dieser Hinsicht eine unerschöpfliche
Quelle der Inspiration. Und mit neuen Technologien wie den Mikrosystemen
lasse sich zum Beispiel eine verbesserte Aerodynamik erzeugen. "So
ist es denkbar, nicht nur an den Brückenköpfen hydraulisch
einstellbare Flügel anzubringen, um das Flattern zu verringern",
erklärt Schlaich, "sondern die gesamte Brücke mit
kleinsten Flügeln zu überziehen, so dass sie wie eine
Fischhaut umströmt wird."
Mike Schlaich hat bis zu seiner Berufung in dem renommierten Ingenieurbüro
Schlaich Bergermann und Partner gearbeitet, das sein Vater, Jörg
Schlaich, 1980 in Stuttgart gegründet hatte. Mit seinen "leichten
und weiten" Konstruktionen wie dem Dach des Münchner Olympia-Stadions
brachten die Stuttgarter moderne Bauingenieurskunst zu Weltgeltung,
da sich in ihren Bauten höchstes technisches Können und
Kreativität auf kongeniale Weise durchdringen. Diesem Anspruch
fühlt sich Mike Schlaich verpflichtet. Er möchte den Studierenden
sowohl technisches Wissen als auch gestalterisches Können vermitteln
und somit den Bauingenieur von dem Image befreien, lediglich die
Statik eines Bauwerks berechnen zu können.
Sybille Nitsche
Lesen Sie auch: Anerkennung, aber keine Arbeit im Land der Hoffnung
- Der lange Weg des August Röbling zur Brooklyn Bridge, der
größten Hängebrücke der Welt des 19. Jahrhunderts
|
Mike Schlaich im neuen Büro
an der TU Berlin
Foto: TU-Pressestelle |
|
|