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Auf Biegen und Brechen

Bilanz und Würdigung der Politik einer Ministerin für Bildung und Forschung

Quelle: Skatspiel "Der Tagesspiegel"

Für einen Journalisten sind Politiker vor allem dann interessant, wenn sie etwas zu sagen haben. Zum Beispiel zündende Zitate oder Programme, die etwas bewegen. Mitte der 1990er-Jahre hielt ich Edelgard Bulmahn für einen hoffnungslosen Fall. Nach einer halben Stunde des Zuhörens hatte ich immer noch keinen zitierfähigen Satz in meinem Notizblock, weil sich die SPD-Expertin für Technologiepolitik und Forschung hinter einem Wall abstrakter Begriffe und Worthülsen verbarg. Heute muss ich der scheidenden Wissenschaftsministerin zubilligen, dass sie so viel bewegt hat, wie sie Anstoß erregte.

Anstoß erregen und etwas bewegen gehören im Amtsverständnis der gelernten Lehrerin zusammen. Wenn Politik die Kunst des Möglichen ist und das mühsame Bohren dicker Bretter verlangt, dann ist Edelgard Bulmahn zu stürmisch, zu provozierend, zu eigensinnig gewesen. Wenn Politik aber des Schocks bedarf, weil die Instanzen und Kompetenzen auf Gremien verteilt sind, die sich nicht bewegen wollen, dann hat Edelgard Bulmahn mehr angestoßen als ihre Vorgänger.

In der Schulpolitik steht Bulmahn für den mutigen Vorstoß, den widerstrebenden Ländern ein Programm zum Ausbau von Ganztagsschulen aufzunötigen. Pisa hat gezeigt: Die Bildungsdefizite der Kinder liegen nicht nur in den Ausländerfamilien, nicht nur in den Familien der deutschen Unterschicht, sondern auch in den ehrgeizigen Mittelstandskreisen. Wenn Vater und Mutter berufstätig sind, haben sie abends kaum noch Zeit für die geduldige Bildungsarbeit mit ihren Kindern. Eine zuverlässige Ganztagsbetreuung in den Schulen von acht bis 16 Uhr kann hier Abhilfe schaffen, selbst wenn konservative Ideologen vor staatlicher Allmacht und Zwangsbetreuung warnen.

In der Wissenschaftspolitik ist es zwar ein Wagnis, den deutschen Hochschulen den Spiegel vorzuhalten und zu sagen: Es gibt Leistungsunterschiede, und international treten die deutschen Hochschulen kaum in Erscheinung. Dagegen setzte Bulmahn ihre Forderung: Deutsche Elitehochschulen sollen in absehbarer Zeit weltweit mit Harvard, Yale, Stanford, dem Massachusetts Institute of Technology, Cambridge und der Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Zürich mithalten können. Die Idee war überfällig, die Konzeption anfangs mit Mängeln versehen, die aber im Einvernehmen mit den Ländern ausgeglichen werden konnten. Nur mit den Unterschriften der Ministerpräsidenten hapert es noch.

Und ist der Pakt für die Forschung nicht die notwendige Antwort, die Hybris der europäischen Regierungschefs, die schon im Jahr 2012 Europa zur führenden Wirtschafts- und Wissensregion der Welt machen wollen, mit etwas Substanz zu unterlegen? Hier die Fakten auf den Tisch zu legen und zu sagen, das kostet zehn Milliarden Euro allein in Deutschland, ist ebenfalls Edelgard Bulmahn zuzuschreiben. Sie hat die Wissenschaftsminister der Länder dazu gebracht, sich zu diesem Programm zu bekennen. Es fehlt nur noch an den Unterschriften der Ministerpräsidenten.

Das ist die Bilanz einer Edelgard Bulmahn, von der man sagen kann, dass sie richtige Ideen und Anstöße gehabt hat. Daneben gibt es die andere Edelgard Bulmahn, die auf Biegen und Brechen und ohne Rücksicht auf die Kompetenzen ihre Überzeugungen durchsetzen will. Dazu gehören das Verbot von Studiengebühren, die Einführung verfasster Studentenschaften mit einem politischen Mandat, das Verbot der Habilitation, damit die künftigen Juniorprofessoren bessere Chancen haben, zu Professoren berufen zu werden. Hinzu kommt das Bestehen darauf, in der Bildungspolitik entweder mit zu planen oder zumindest über die Entwicklung mit zu entscheiden - also in einem Kernbereich der Länder mitzumischen.

Das Bundesverfassungsgericht hat Bulmahn mehrfach in die Schranken gewiesen. Die Föderalismusreform ist auch wegen ihres Widerstandes auf Eis gelegt worden. Wenn Politik die Kunst des Möglichen ist, dann ist Edelgard Bulmahn auf diesen Feldern der Kompetenzerschleichung gescheitert. Das letzte Urteil über Edelgard Bulmahn ist also offen. Erst nach Jahren wird man sagen können, welche ihrer Ideen sich mit nachweisbarem Erfolg durchgesetzt hat.

Uwe Schlicht,
Bildungsjournalist, "Der Tagesspiegel"

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