Was sich Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft von einer neuen
Ära der Bildungspolitik wünschen
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Foto: TU-Pressestelle |
Prof. Dr. Dres. h.c. Helmut Schwarz, TU-Professor und Vizepräsident
der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Politiker sollten weniger von Eliten und Exzellenzzentren reden,
sondern endlich jene Randbedingungen schaffen, die es Universitäten
ermöglichen, ihren Bildungs- und Forschungsauftrag zu erfüllen.
Dazu gehören:
- ein Ende der katastrophalen Unterfinanzierung;
- eine vollständige Autonomie der Hochschulen: Halbe Autonomie
gibt es so wenig wie halbe Schwangerschaften;
- die ersatzlose Streichung des Hochschulrahmengesetzes: Universitäten
sind keine nachgeordneten Behörden;
- die überfällige Einrichtung eines sachgerechten Wissenschaftlertarifs:
Der BAT hat ausgedient und verdient ein Rentendasein;
- für den wissenschaftlichen Nachwuchs die Etablierung eines
wirklichen "tenure track"-Systems, und schließlich
- eine sachdienliche, nachhaltige und ideologiefreie Förderung
von Frauen.
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Foto: TU-Pressestelle |
Prof. Dr. Martin Grötschel, Sprecher des DFG-Forschungszentrums
"Mathematik für Schlüsseltechnologien"
Ein großes Problem der deutschen Wissenschaftspolitik ist
die Zersplitterung von Kompetenzen. Denken wir nur an das Scheitern
der Pläne für Elite-Universitäten etc. Ist nur die
Politik schuld? Wir Wissenschaftler "vernetzen" Kompetenzen
auch gerne, um zum Beispiel den einen gegen den anderen ausspielen
zu können. Dies gilt auf allen Ebenen. Unsere universitären
Entscheidungsstrukturen sind - freundlich ausgedrückt - "barock".
Die Folge ist eine massive Verlagerung von Arbeitszeit für
Forschung und Lehre auf Gremien- und Beratungstätigkeit. Wir
brauchen dringend besseres Wissenschaftsmanagement, Konzentration
der Kräfte, die richtige Mischung von Autonomie und Abhängigkeit.
Kurz gesagt: effizientere Strukturen. Diese Forderung richtet sich
nicht nur an die Politik, sondern auch an uns selbst.
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Foto: privat |
Prof. Dr.-Ing. Christian Thomsen, Dekan Fakultät
II, Mathematik und Naturwissenschaften
Rot -Grün hat in der Bildungspolitik eine Reihe von bemerkenswerten
Initiativen begonnen, sie aber leider nur ungenügend oder lebensfern
umgesetzt.
Daraus ergibt sich für die nächste Bundestagsperiode die
Forderung nach Kontinuität in den großen Zielen und den
systematischen Umstrukturierungen bei gleichzeitiger sachgerechter
und sachorientierter Umsetzung. Nicht wünschenswert wäre
eine Verunsicherung des wissenschaftlichen Nachwuchses durch weitere
tief greifende Reformen. Insbesondere sehe ich akuten Handlungsbedarf
bei der Stabilisierung der Juniorprofessur, bei der gezielten Eliteförderung
- statt der Diskussion darum, was Elite eigentlich ist -, bei der
Umsetzung der Leistungsfähigkeit des Diploms in die zweistufige
Ausbildung Bachelor/Master und bei der Besoldungsstruktur der Hochschullehrer
(W3/W2-Regelung) und der zukünftigen Abgänger mit einem
Bachelorabschluss (BAT).
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Foto: Schering
AG |
Prof. Dr. Günter Stock, Mitglied des Vorstandes der Schering
AG, Sprecher der Initiative "an
morgen denken"
Globalisierung bedeutet nicht zuletzt auch Wettbewerb um die besten
Köpfe. In diesem Zusammenhang kann es nicht darum gehen, den
so genannten "Brain Drain" zu verhindern, sondern vor
allem muss der "Brain Gain" verstärkt werden. Wir
müssen also alles daransetzen, einerseits den internationalen
Austausch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu fördern,
andererseits aber auch dafür Sorge zu tragen, dass genügend
kreative Köpfe nach Deutschland kommen oder nach ihrer Ausbildungszeit
nach Deutschland zurückkehren.
Wer Veränderung will, muss gut gemeinte Appelle durch konkrete
Infrastrukturmaßnahmen unterstützen.
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Foto: TU-Pressestelle |
Prof. Dr. Ulf Stahl, Dekan der TU-Fakultät
III, Prozesswissenschaften
Folgendes scheint mir von größter Wichtigkeit:
- Einführung von Studiengebühren, allerdings nur dann,
wenn gleichzeitig die dadurch entstehenden sozialen Zwänge/Ungerechtigkeiten
ausgeglichen werden.
- Außerdem muss sichergestellt sein, dass diese Gebühren
bei der Universität verbleiben und der Landeszuschuss nicht
entsprechend gekürzt wird.
- Klare Strukturierung und Zuordnung im Professorenbereich, zum
Beispiel nach dem Model Assistant, Associate und Full Professor
bilden eine Lehr- und Forschungseinheit (Department). Mit der
Einführung der Juniorprofessuren wurde hier wohl ein punktueller
Anfang gemacht, doch eine strukturelle Weiterentwicklung ist bisher
nicht in Sicht.
- Abitur spätestens nach der 12. Klasse und Auswahl der
Studienanfänger/innen durch die Universität nach studiengangspezifischen
Kriterien.
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Foto: TU-Pressestelle |
Prof. Dr. Thomas Sikora, Dekan Fakultät
IV, Elektrotechnik und Informatik
Die Förderung von Wettbewerb unter den Hochschulen halte ich
für sinnvoll, um so Profilbildung und Qualität in Lehre
und Forschung zu forcieren. Eine zukünftige deutsche beziehungsweise
europäische Bildungspolitik muss aber die Hochschule von staatlicher
Überregulierung entfesseln sowie Exzellenzzentren und eine
adäquate Ausstattung für Lehre und Forschung nachhaltig
fördern. Dabei muss das Prinzip der Chancengleichheit für
Universitäten in Deutschland gelten. Gerade das Berliner Umfeld
zeigt, wie aus Kostengründen starke Berliner Universitäten
und Fakultäten im Bundesvergleich systematisch geschwächt
werden.
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