Gewerkschaftsschule als Ort der Täter
Studierende erkundeten die Geschichte des alten Gebäudes
In Bernau nördlich von Berlin war in den Jahren 1928 bis 1930
nach Plänen von Hannes Meyer und Hans Witwer die Bundesschule
des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes entstanden. Das Gebäude
ist als eines der letzten Zeugnisse des Bauhauses in die Architekturgeschichte
eingegangen. Im Auftrag der Handwerkskammer Berlin, der es jetzt
gehört, wurde es in den letzten Jahren renoviert und präsentiert
sich in neuer Schönheit. In der DDR diente die Anlage als Hochschule
des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes. Über die Nutzung
im "Dritten Reich" nach der Auflösung der Gewerkschaften
war bislang kaum etwas bekannt.
Auf Initiative des Vereins "baudenkmal
bundesschule bernau" erforschten nun Studierende der TU
Berlin unter Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Benz, wozu das Haus
vom NS-Regime entfremdet wurde. Die Ergebnisse werfen ein ganz neues
Licht auf die einstige Bundesschule. Beschrieben werden die Besetzung
der Gewerkschaftsschule durch die SA am 2. Mai 1933, die Einrichtung
einer Reichsschule der NSDAP und der Deutschen Arbeiterfront (DAF)
1933 bis 1936, dann die Nutzung als Ausbildungs- und Tagungsort
der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (SD). Auf dem
Gelände der Schule wurde die Inszenierung des "polnischen
Überfalls auf den Sender Gleiwitz" trainiert, der den
Vorwand zur Entfesselung des Zweiten Weltkriegs gab. Hier fanden
Konferenzen zur nationalsozialistischen Volkstumspolitik statt.
Schließlich waren in der ehemaligen Gewerkschaftsschule Außenstellen
des Reichssicherheitshauptamtes untergebracht.
Bernau war, das ist das Ergebnis der Forschungen, ein bisher unbekannter
Täterort des NS-Regimes. Die studentischen Mitarbeiter stellten
ihre Arbeiten am 9. Dezember in einer gemeinsamen Veranstaltung
des Zentrums
für Antisemitismusforschung, der Handwerkskammer Berlin
und des Vereins "baudenkmal bundesschule bernau" erstmalig
vor. Anfang 2007 werden die Ergebnisse, vorgelegt in acht Studien,
im Druck erscheinen.
tui
|