Besuch der Heiligen Stadt
Begegnung deutscher und marokkanischer Studierender in Marokko
Aufgrund der spezifischen Geschichte Marokkos, der zahlreichen fremden Einflüsse, die das Land im Verlauf der Jahrhunderte prägten, spielt die Frage nach der eigenen Identität, nach dem, was die "marocanité" ausmacht, eine zentrale Rolle in der frankofonen Literatur.
Im November begegneten sich deutsche und marokkanische Studierende der Universität Dhar al Mahraz und der Matrix-Hochschule für Tourismus und Management in Fès sowie der TU Berlin,
Fachgebiet Französische
Philologie, in Marokko. Das Ziel war, die Studierenden beider Länder für den Reichtum multipler kultureller Prägungen zu sensibilisieren, ebenso wie für Ursachen und Gefahren von verengenden Zuschreibungen, die die jeweilige Identität betreffen. Unterstützt wurde die TU-Exkursion von der
Fakultät I Geisteswissenschaften und der
Abteilung Außenbeziehungen der TU Berlin. Die gemeinsame Arbeit an ausgewählten Texten der zeitgenössischen frankofonen Literatur Marokkos, ebenso wie Exkursionen und Vorträge zu Geschichte und Literatur des Landes, gab den Diskussionen die Impulse.
Besonders bedeutsam war der gemeinsame Besuch der Synagoge, des jüdischen Friedhofs und Museums von Fès, das von der einzigartigen gemeinsamen arabisch-jüdischen Geschichte Marokkos zeugt. Gemeinsam mit ihren Altersgenossen aus Deutschland entdeckten die marokkanischen Studierenden, dass Juden und Araber über Jahrhunderte hinweg in Marokko friedlich miteinander gelebt hatten, ja dass König Mohammed V. die Deportation marokkanischer Juden verhindert hatte.
Touristische "Highlights" wie die berühmte Altstadt von Fès, Zeugnisse römischer Präsenz in Afrika in "Volubilis" oder die "Heilige Stadt" von Moulay Idriss, dem Begründer von Fès, standen ebenso auf dem Programm wie Vorträge und gemeinsame Seminare an den Universitäten und im französischen Kulturinstitut. Dabei stellte sich heraus, dass die frankofone marokkanische Literatur unterschiedlich rezipiert wird. So ist der in Europa und in Deutschland gefeierte marokkanische Autor Tahar Ben Jelloun in seiner Heimat umstritten, gilt als Nestbeschmutzer und Vertreter einer "dekadenten" europäischen Sicht. Dass die Literatur nur Ausschnitte aus der marokkanischen Realität zeigt, bewies nicht zuletzt der überaus herzliche und unvergleichlich großzügige Empfang, der den Studierenden von den Kollegen bereitet wurde. Eine Fortsetzung der Kooperation ist geplant.
Prof. Dr. Mechtild Gilzmer,
Romanistische Literaturwissenchaft
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