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Über den Seitenweg zum Nobelpreis

Orte der Erinnerung: Ernst Ruska legte die Grundlagen für die Elektronenmikroskopie

Ernst Ruskas Grabstelle auf dem jüngsten Berliner Friedhof, dem Zehlendorfer Waldfriedhof. Erst seit 1945 fanden hier Beerdigungen statt. Der Nordwestteil wurde 1946/47 von der späteren TU-Professorin Herta Hammerbacher gärtnerisch konzipiert und gestaltet
© Förster

Am ersten Weihnachtsfeiertag 2006 jährt sich zum 100. Mal der Geburtstag eines Mannes, der an der Realisierung einer der bedeutendsten Erfindungen des 20. Jahrhunderts maßgeblich beteiligt war. 1928 kam Ernst Ruska als Student an die Technische Hochschule Berlin und suchte ein interessantes Thema für eine Jahres- und Diplomarbeit. Vier Jahre später, im September 1932, veröffentlichte er mit Dr. Max Knoll, seinem Tutor, einen "Beitrag zur geometrischen Elektronenoptik". Damit waren wichtige Grundlagen für jene Erfindung gelegt. In seiner 1933 eingereichten Dissertation beschrieb er eine Magnetlinse, die bis heute das Design von Linsen in der Elektronenoptik geblieben ist. Die eigentliche Geburtsstunde der Elektronenmikroskopie war am 23. September 1933 gekommen, als der junge Forscher mit einem von ihm gebauten Prototyp Aufnahmen erzielte, die mit 12000-facher Vergrößerung die Auflösung herkömmlicher Lichtmikroskope weit überschritt. 1986 erhielt Ernst Ruska für seine Grundlagenarbeit in der Elektronenmikroskopie gemeinsam mit Gerd Binnig und Heinrich Rohrer den Nobelpreis für Physik.

Aber Ruskas Erfolg war auch eine Sternstunde der TH Berlin. Im damals modernsten Hochspannungslaboratorium, das in einem Lichthof des Hauptgebäudes - heute befindet sich dort eine Gedenktafel - eingerichtet war, nahm Ruska seine Tätigkeit bei Professor Adolf Matthias auf. Das Institut erforschte eigentlich Einflüsse von Gewittern auf Freileitungen und Umspannwerke der Energieversorgung. Dabei spielten leistungsfähige Kathodenstrahloszillatoren als Messeinrichtungen eine wichtige Rolle. Der Student Ruska wurde aber mit Untersuchungen betraut, die über das unmittelbare Arbeitsfeld des Labors hinausgingen und die sich mit der "Optik der Kathodestrahlen" beschäftigten. Ruska beschrieb später diese Abweichung wie folgt: "Unser Lehrer Matthias hatte trotz der eher technischen Aufgaben, die wir als angehende Ingenieure lösen sollten, stets Verständnis dafür, wenn wir auch physikalischen Problemen nachspürten oder Seitenwege verfolgten." Genau dieser Seitenweg führte zur Theorie der Elektronenoptik und praktisch zum Elektronenmikroskop.

Noch vor Beendigung der Promotion verließ Ruska die TH, da keine Finanzmittel für Weiterarbeit am Mikroskop genehmigt wurden. 1933 bis 1937 war er in der Entwicklungsabteilung der Berliner Fernseh AG tätig. Ab 1937 leitete er gemeinsam mit Bodo von Borries die industrielle Entwicklung der Elektronenmikroskopie bei Siemens. 1938 entstand der erste Prototyp des Siemens-Übermikroskops, ein Jahr später das erste Serienmodell. 1944 habilitierte sich Ruska an der TH. Nach 1945 baute er das Laboratorium für Elektronenoptik bei Siemens auf. Mit seinem Bruder Helmut, einem Mikrobiologen, verbesserte er gleichzeitig die Elektronenmikroskopie. 1955 verließ Ruska die Firma Siemens, weil sie aus Kostengründen eine Weiterentwicklung des Elektronenmikroskops ablehnte. Heute ist Japan Marktführer auf dem Gebiet. Bis zu seiner Emeritierung 1974 war er am Dahlemer Fritz-Haber-Institut tätig. Die TU Berlin erteilte ihm 1959 eine außerplanmäßige Professur. Ernst Ruska starb hochgeehrt am 27. Mai 1988. Seine letzte Ruhe fand er an der Seite seines Bruders Helmut auf dem Zehlendorfer Waldfriedhof. 

Hans Christian Förster

Weitere Artikel aus der Reihe "Orte der Erinnerung" finden Sie unter:
www.tu-berlin.de/uebertu/erinnerung.htm

 

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