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Bedrohung des Privaten

Videoüberwachung: welchen Einfluss können Wissenschaft und Kunst auf Technikgestaltung nehmen?

 
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Bewegen sich unsere Gesellschaften "schlafwandelnd in eine Überwachungsgesellschaft"? Diese Frage beschäftigte Ende November die gemeinsame Konferenz des Zentrums für Technik und Gesellschaft (ZTG) und des Internationalen Theaterinstituts (ITI) an der TU Berlin, "The New Surveillance".

Wissenschaftler, Politiker und Künstler verschiedenster Fachrichtungen aus über 15 Ländern fragten nach Forschungsmethoden, die sich diesem Problem nähern könnten, und nach ihrer jeweiligen Filter- und Strukturierungswirkung. Heftig umstritten war die Art, wie den neuen Überwachungstechnologien von wissenschaftlicher Seite zu begegnen sei, welche Fragen wie zu stellen und wie diese zu beantworten seien. Gleichwohl herrschte über die Entwicklungstendenz Einigkeit: Nicht nur die privat und öffentlich kursierenden Datenströme wachsen, sondern auch ihre Integration und Internationalisierung. Vor allem die Entwicklungsgeschwindigkeit dieses Prozesses mache eine vorausschauende Technikbewertung schwer, wenn nicht unmöglich. Nachträgliche Warnrufe und Evaluationen seien an der Tagesordnung.

Alternativ dazu könne die Wissenschaft auch eine ganz andere, eine aktiv handelnde Position einnehmen: Sie könne dem Technikentwicklungsprozess beiwohnen, um wenigstens einige zukünftige Folgen absehen zu können und die Technikgestaltung so zu strukturieren, dass sie verfassungsverträglich ist und der Privatheit des Einzelnen Rechnung trägt.

Gerade nach dem 11. September 2001 entstehe oft der Eindruck, unsere Gesellschaften seien akut bedroht und müssten vor einem "Armageddon" bewahrt werden. Der einzige Ausweg aus diesem Sicherheitsdilemma sei die Flucht in immer mehr Überwachungstechnologie, in beinahe utopische Gesellschafts- und Technikentwürfe, wie sie zum Beispiel der Film "Minority Report" kennt. Dort können zukünftige Gesetzesübertreter dank überlegener Überwachungstechnologie noch vor ihrem Verbrechen festgenommen werden. Doch wie werden Machtstrukturen in Techniken eingeschrieben? Wer hat auf die Daten Zugriff? Welche Stereotype produziert Technik? Diese Fragen müssen bei aller Faszination für neue Techniken, die man auch bei Künstlern und Wissenschaftlern antrifft, gestellt werden.

Auch die künstlerischen Beiträge auf der Konferenz waren nicht nur Rahmen. Vielmehr wollten sich die Teilnehmenden von den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Kunst und der Wissenschaft in der Herangehensweise an das Thema "Neue Überwachungstechnologien" zu neuen Forschungsideen provozieren lassen. Nicht nur die Wissensproduktion ist ein streng kontrollierter Bereich, auch Kunst ist Kontrolle. Sie macht in ihren Forschungen Unsichtbares sichtbar, stellt die Grenzen zwischen virtueller und materieller Realität infrage und konstruiert selbst Räume.

Die Notwendigkeit einer Thematisierung der "New Surveillance", so das Fazit der Konferenz, ergebe sich aus der Definition der Privatsphäre. Nicht nur habe jedes Individuum das Recht auf Alleinsein, sondern auch darauf, frei Geselligkeit zu suchen, ohne jegliche Überwachung. Das sei eine ganz wichtige Voraussetzung für funktionierende Demokratien. Kunst und Wissenschaft könnten dabei den Schlafwandler auf dem Weg in die Überwachungsgesellschaft behutsam aus seinem Schlaf wecken.

Tanja Bernhardt,
Zentrum Technik und Gesellschaft

hempel@ztg.tu-berlin.de
www.ztg.tu-berlin.de

 

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