Nachgefragt
Verlorenes Zentrum
TU intern befragt Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten,
was für sie die spannendste Forschungsnachricht der jüngsten
Zeit war und welches Thema mehr Aufmerksamkeit in den Medien verdient.
Frank Grotelüschen ist freier Journalist. Er arbeitet unter
anderem für die "Süddeutsche
Zeitung" und die "Berliner
Zeitung".
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Frank Grotelüschen,
freier Journalist
© privat |
Die Welt besteht vor allem aus einer unbekannten "dunklen"
Energie. Das ist die für mich aufregendste Erkenntnis der letzten
Jahre. Sie prägt zwar kaum unseren Alltag, dafür aber
umso nachhaltiger das Weltbild der Wissenschaft. Jahrzehntelang
war man sicher: Das Universum besteht aus zwei Sorten von Materie
- der gewöhnlichen, uns umgebenden Materie sowie der "dunklen",
hinter der irgendwelche exotischen Elementarteilchen stecken mögen.
Doch die einzige Erklärung für die Entdeckung, dass sich
das All immer schneller ausdehnt statt immer langsamer, ist: Es
muss eine geheimnisvolle Energie existieren, die den Kosmos auseinandertreibt
wie einen gigantischen Hefeteig. Und: Diese "dunkle" Energie
muss drei Viertel des Weltalls ausmachen - für mich eine weitere
Episode jener kopernikanischen Revolution, die den Homo sapiens
immer weiter aus dem Zentrum des kosmischen Geschehens verdrängt.
Den schnöden Alltag hingegen bestimmen andere Strömungen:
Internet, Handy und superfixe Computer. Und in den nächsten
Jahren werden die Prozessoren nochmals um Größenordnungen
schneller, kleiner, billiger. Die Folge: Rechenpower überall;
Experten sprechen vom "verteilten Rechnen". Nahezu jeder
öffentliche wie private Raum könnte dereinst mit unsichtbaren
digitalen Helferlein gespickt sein, die uns ungefragt unter die
Arme greifen. Doch wie dieser Trend unseren Alltag verändern
könnte, welche Folgen er für die Gesellschaft hat - darüber
liest man eher wenig. Vielleicht auch deswegen, weil die Technikfolgenabschätzung
im Vergleich zu anderen Disziplinen auf Sparflamme kocht - schade
eigentlich.
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